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Deutsche Regierungskreise: Keine Nato-Einladung an Ukraine

Die Ukraine fordert seit Wochen von der Nato eine formelle Einladung in die Nato. Doch es sieht schlecht aus, wie es aus Regierungskreisen heißt. Und der Kreml warnt sogar davor.

Lars Klingbeil
SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich zum Nato-Beitritt der Ukraine geäußert. Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA
SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich zum Nato-Beitritt der Ukraine geäußert.
Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA

Beim Nato-Gipfel im litauischen Vilnius werden die 31 Mitgliedstaaten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen keine Einladung an die Ukraine in das Bündnis aussprechen. »Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da«, hieß es in Berlin. »Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens.«

Aus deutscher Sicht sollte der Fokus nun darauf liegen, dass man der Ukraine in der jetzigen Situation ganz konkret helfe. Deutschland habe dabei als zweitgrößter Unterstützer der Ukraine bei den Waffenlieferungen eine besondere Rolle.

Zudem solle die Partnerschaft mit der Ukraine über die Gründung eines Nato-Ukraine-Rats intensiviert werden, der vier Mal im Jahr tagen soll. Die erste Sitzung ist während des Gipfels in Vilnius geplant, der am Dienstag und Mittwoch stattfindet.

Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg haben die Mitgliedsstaaten noch keine endgültige Entscheidung über die Beitrittsperspektive der Ukraine getroffen. Konsultationen über die Bedingungen für den Weg der Ukraine zur Nato-Mitgliedschaft seien weiterhin im Gange, sagte er in Vilnius nach einem Treffen mit den litauischen Staatspräsidenten Gitanas Nauseda. Weiter betonte Stoltenberg, er sei jedoch sicher, dass die Verbündeten beim Nato-Gipfel eine gute, starke und positive Botschaft haben werden. Das zweitägige Spitzentreffen beginnt am Dienstag in Vilnius.

Selenskyj: Ukraine wird nach Krieg in der Nato sein

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich zuversichtlich gezeigt, dass das Land nach Ende des russischen Angriffskriegs Mitglied in dem Militärbündnis sein wird. »Auch wenn unterschiedliche Positionen geäußert werden, ist es immer noch offensichtlich, dass die Ukraine es verdient, im Bündnis zu sein. Nicht jetzt – jetzt ist der Krieg, aber wir brauchen ein klares Signal«, sagte Selenskyj in seiner erbreiteten täglichen Videobotschaft. »Die Mehrheit der Allianz ist eindeutig für uns.« Das müsse der Gipfel in Vilnius an diesem Dienstag und Mittwoch bestätigen.

»Wir arbeiten noch an der Formulierung, also an den konkreten Worten einer solchen Bestätigung, aber wir verstehen bereits, dass die Ukraine dem Bündnis beitreten wird. Wir arbeiten daran, den Algorithmus für den Beitritt so klar und schnell wie möglich zu gestalten«, sagte Selenskyj. 

Er sagte, es sei ihm eine Ehre, das Land und die Ukrainer zu vertreten. Einmal mehr betonte Selenskyj auch, dass der Kampf der Ukraine im Sinne des Westens sei. Die Sicherheit der Ostflanke der Nato hänge von der Ukraine ab.

»Es ist die ukrainische Ostgrenze, die Grenze unseres Staates und die Stellungen unserer Soldaten – das ist die Linie, die die russische Diktatur - die zwar in verschiedenen Formen, aber stets versuchte, die Völker Europas zu unterwerfen - nie wieder überschreiten wird«, sagte Selenskyj. Er sieht die Ukraine, wie er betonte, faktisch bereits jetzt als Teil der Militärallianz. »Unsere Waffen sind die Waffen der Allianz. Unsere Werte sind das, woran die Allianz glaubt. Unsere Verteidigung ist das eigentliche Element der Formel Europas, die es einig, frei und friedvoll macht.«


Klingbeil: Kein Nato-Beitritt, solange Krieg ist

Zuvor erklärte schon SPD-Chef Lars Klingbeil, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine vor dem Ende des russischen Angriffskriegs nicht in Frage kommt. »Die Nato kann die Ukraine nicht aufnehmen, solange sie im Krieg ist, sonst wären Deutschland und die anderen Bündnisstaaten sofort Kriegspartei«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Vom Gipfel werde aber dennoch ein klares Signal der engen militärischen Kooperation mit der Ukraine ausgehen, sagte er. Es gehe unter anderem darum, die Ausbildung ukrainischer Soldaten zu stärken und schon jetzt die Ukraine an Nato-Standards heranzuführen. Und zur Frage weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine versicherte Klingbeil: »Was wir wirklich abgeben können, wird geliefert.«

Heusgen verweist auf Artikel 5

Ähnlich äußerte sich der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. »Die Ukraine in der jetzigen Phase des Konflikts aufzunehmen, scheidet aus. Das würde das Bündnis direkt in den Krieg hineinziehen, weil dann nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages die Beistandsverpflichtung fällig wäre«, sagte er der »Rheinischen Post« und dem Bonner »General-Anzeiger«. Allerdings solle der Nato-Gipfel das Signal aussenden, »dass die Ukraine zur Nato-Familie gehört«.

Auch der frühere deutsche UN-Botschafter plädierte dafür, die Ukraine militärisch maximal zu unterstützen. »Wir müssen der Ukraine alle militärischen Mittel zur Verfügung stellen, die das Land braucht, um sich zu verteidigen, sonst hört die Ukraine auf zu existieren.«

Kreml warnt: »Gefahr und Bedrohung«

Der Kreml drohte indes mit Gegenmaßnahmen Russlands im Fall einer Aufnahme der Ukraine in die Nato. Ein Nato-Beitritt der Ukraine wird »sehr negative Folgen für die gesamte und ohnehin schon halbzerstörte Sicherheitsarchitektur Europas haben und eine absolute Gefahr und Bedrohung für unser Land darstellen«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Ein solcher Schritt würde von russischer Seite eine »ziemlich harte und verständliche Reaktion erfordern«, fügte Peskow hinzu.

Der Kreml wisse, dass vor dem Nato-Gipfel am Dienstag und Mittwoch in Litauen derzeit eine lebhafte Debatte unter den Nato-Mitgliedern über einen Beitritt der Ukraine laufe und »dass es dazu verschiedene Standpunkte gibt«, sagte Peskow weiter. Das »Kiewer Regime« versuche mit verschiedenen Mitteln »Druck auf alle Beteiligten auszuüben, damit so viele Länder wie möglich im Vorfeld dieses Gipfels ihre Solidarität in dieser Frage demonstrieren«.

© dpa-infocom, dpa:230710-99-344155/11