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Der Winterfrieden von Meseberg: Kanzler voller Zuversicht

Die Stimmung hätte besser sein können vor dem Klassentreffen der Ampel-Koalition auf Schloss Meseberg. Am Ende war ein Zurückfinden zur Harmonie womöglich wichtiger als Sachentscheidungen.

Schloss Meseberg
Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner nach der Klausurtagung des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg. Foto: Michael Kappeler
Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner nach der Klausurtagung des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg.
Foto: Michael Kappeler

Draußen konnte Kanzler Olaf Scholz einen Schneeball werfen, drinnen ging es offenbar nicht ganz so frostig zu: Bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg habe es »ein sehr fühlbares Unterhaken« gegeben, verkündete der SPD-Politiker nach dem Treffen der Ministerriege nördlich von Berlin. »Ich kann Ihnen berichten, dass wir auch Fortschritte gemacht haben bei vielen Fragen, die wir im Alltagsgeschäft verhandeln«, sagte Scholz.

Zuvor hatten sich SPD, Grüne und FDP teils erbittertes Gezänk zu verschiedenen Themen geliefert, etwa zum Autobahnausbau, einem Verbot neuer Öl- und Gasheizungen oder bei der Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Öffentliche Briefwechsel zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erweckten den Eindruck, mit der Zusammenarbeit sei es aktuell schwierig.

Nach Berechnungen der »Süddeutschen Zeitung« liegen derzeit rund 30 Gesetzesvorhaben auf Eis, weil einer der drei Koalitionspartner nicht einverstanden ist. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mahnte die Ampel in der vergangenen Woche, nicht ständig Vorhaben im Eilverfahren ins Parlament zu geben - das war zuletzt mehrfach passiert, weil sich die Koalition erst kurz vor einer Frist hatte einigen können.

Bei der 24-stündigen Klausur in dem Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert standen die Streitthemen offiziell nicht auf der Tagesordnung. Am Rande gebe es hier aber immer die Gelegenheit, das ein oder andere zu klären, sagte Finanzminister Lindner. »Und das hilft dann auch für das politische Tagesgeschäft in den nächsten Wochen in Berlin.« Heißt übersetzt: Die Ampel-Koalition musste wohl mal an die (kalte) Luft.

Der optimistische Kanzler

Scholz wollte in Meseberg eigentlich weniger über innerkoalitionäre Befindlichkeiten reden, als vor allem über große Linien nach der von ihm ausgerufenen Zeitenwende. Der Kanzler stellte die Klausurtagung unter das Motto »Zuversicht«: Es gehe darum, »wie eine Gesellschaft, die so viel vor sich hat, zuversichtlich sein kann und bleiben kann«, sagte er zu Beginn mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs und den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz.

Später zeigte er sich überzeugt, dass Arbeitslosigkeit in Deutschland in einigen Jahren kein Thema mehr sein wird. »Es gibt sehr viel zu tun, für das wir sehr viele Frauen und Männer brauchen, die hierzulande sich einsetzen, aber auch aus anderen Ländern dazukommen, damit all die Arbeit geschafft werden kann, die in Deutschland jetzt anfällt.«

Keine Einigung im Haushaltszoff

Die Stimmung unter den Koalitionären blieb wohl auch deswegen gut, weil schwierige Fragen nicht ausdiskutiert wurden. Haushaltsverhandlungen seien auf Schloss Meseberg nicht geführt worden, betonte Lindner. Dabei waren die Eckpunkte für den Etat 2024, die der FDP-Chef am 15. März vorlegen will, ein wichtiger Grund für die zuletzt gereizte Stimmung. Wie üblich wollen die Kollegen mehr Geld als der Finanzminister ihnen zugestehen will. Die Zusatzwünsche sollen sich auf 70 Milliarden Euro summieren. Lindner, der darauf besteht, die Schuldenbremse einzuhalten und auf Steuererhöhungen zu verzichten, sieht dafür keinen Spielraum.

Weiter Arbeit an der Kindergrundsicherung

Auch beim zweiten Streitthema, der Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung, hat die Koalition laut Lindner noch Arbeit vor sich. Doch die Bündelung von staatlichen Leistungen für Familien sei ja auch erst für 2025 vorgesehen, bremste der FDP-Chef. Die Grünen und Familienministerin Lisa Paus sehen das nicht so gelassen: Sie haben bereits 12 Milliarden Euro Mehrbedarf angemeldet für das Projekt, mit dem Kindergeld, Kinderzuschlag und andere Unterstützungsleistungen zusammengeführt werden sollen.

»Es gibt Einvernehmen, dass wir die den Familien zustehenden Leistungen automatisiert, digitalisiert zur Verfügung stellen«, sagte Lindner in Meseberg. Alleine die Bewilligungen für berechtigte Familien zu automatisieren, werde 2025 schätzungsweise zwei bis drei Milliarden Euro kosten. Die Grünen wollen nicht nur die bürokratischen Hürden für den Bezug der Leistungen verringern, sondern die Mittel auch aufstocken.

Ball nach Brüssel gespielt

Beim dritten Streitthema, dem Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035, sieht Scholz nicht mehr die Koalition, sondern die EU-Kommission am Zug. Die Bundesregierung sei sich einig, dass aus Brüssel ein Vorschlag zum Einsatz von klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen kommen müsse. Gegenwärtig gebe es keine Rechtssicherheit, dass nach 2035 noch Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotoren zugelassen werden können, wenn sie mit »Ökosprit« betankt würden, kritisierte Lindner. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht Gespräche mit der EU-Kommission allerdings bereits auf einem guten Weg.

Nach Meseberg ist vor dem Koalitionsausschuss

Die Opposition warf der Bundesregierung Selbstblockade vor. »Die Ergebnislosigkeit der Klausurtagung des Kabinetts spiegelt den politischen Stillstand innerhalb der Bundesregierung wider«, sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Union fordere die Regierung auf, ihre Streitigkeiten beizulegen und eine echte Zeitenwende auch im Inland einzuleiten. »Meseberg war vor allem Selbsthilfegruppe, weniger Kabinettsklausur«, sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. »Maximale Probleme im Land, reichlich Dissens und viel Selbstdarstellung in der Koalition.«

Beschlüsse zu aktuellen Streitthemen jedoch waren auf Schloss Meseberg gar nicht das Ziel der Koalition, das hatten Regierungsvertreter zuvor schon durchblicken lassen. Dafür gibt es andere Gremien, wie etwa einen für Ende des Monats geplanten Koalitionsausschuss.

© dpa-infocom, dpa:230306-99-850600/10