Logo
Aktuell Inland

Debatte über einheitlichere Regeln zur Corona-Eindämmung

Warnungen vor einer weiteren Zuspitzung der Corona-Lage werden lauter. Reicht ein jeweils regionales Gegensteuern, wenn sich das Virus in immer größeren Teilen Deutschlands rasant ausbreitet?

Angela Merkel
Angela Merkel vergangene Woche vor Beginn einer Sitzung des Bundeskabinetts. Foto: Markus Schreiber/AP-Pool/dpa
Angela Merkel vergangene Woche vor Beginn einer Sitzung des Bundeskabinetts. Foto: Markus Schreiber/AP-Pool/dpa

BERLIN. Angesichts steigender Infektionszahlen rückt eine stärker bundesweit abgestimmte Corona-Eindämmung in den Blick. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte am Montag im ARD-»Morgenmagazin«, bisher habe man regional Maßnahmen bestimmt, wie es zum Infektionsgeschehen passe.

»Aber jetzt sind wir in der Tat in einer Lage, in der in ganz Deutschland die Zahlen steigen. Und deswegen ist es gut, dass wir auch noch mal bundesweit auf die Regeln gucken und überlegen, ob es noch weitere Maßnahmen geben muss.« An diesem Freitag tagt die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder.

Saar-Regierungschef Tobias Hans (CDU) sagte im Deutschlandfunk, er glaube nicht, »dass wir noch mal eine Lockdown-Situation brauchen oder bekommen werden wie im Frühjahr«. Das gelinge aber nur, »wenn wir jetzt konzertiert als Bundesländer mit dem Bund zusammen klare Maßstäbe, die für jeden transparent sind, festlegen«. Das sei sein Wunsch für die Ministerpräsidentenkonferenz. Es habe keinen Sinn, wegen einer hohen Neuinfektionszahl-Zahl in einem saarländischen Kreis einen sächsischen Kreis in den Stillstand zu bringen. Es solle aber jeder nachschauen können: »Ist dieser Landkreis rot, gelb oder grün?« - und Sicherheit haben, dass jeweils gleiche Maßnahmen gelten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach einem Medienbericht ihre bereits mehrfach geäußerte Sorge wegen der hohen Infektionszahlen auch in den CDU-Gremien noch einmal deutlich gemacht. Der Anstieg müsse dringend gestoppt werden, mahnte sie nach Informationen der »Bild« am Montag. Die Situation sei »hochdynamisch« und »dramatisch«. Deutschland könne demnach bald in eine »schwierige Lage« kommen, wenn es um Intensivbetten gehe. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) äußerte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in den Beratungen sehr skeptisch zum Infektionsgeschehen. Die Zahlen stiegen zu schnell, machte er laut Teilnehmerkreisen deutlich.

Die Gesundheitsämter meldeten 8685 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen mitteilte. Am Montag vor einer Woche hatte diese Zahl noch halb so hoch bei 4325 gelegen. Erfahrungsgemäß sind die Fallzahlen sonntags und montags niedriger, auch weil an Wochenenden weniger getestet wird. Am vergangenen Samstag war mit 14.714 Neuinfektionen ein Höchstwert seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland erreicht worden. Die Zahl der Todesfälle überstieg am Wochenende die Marke von 10.000.

Angesichts der Zuspitzung der Lage verschiebt die CDU ihren für den 4. Dezember in Stuttgart geplanten Parteitag mit 1001 Delegierten zur Wahl eines neuen Vorsitzenden ins nächste Jahr. Der Parteitag solle dann idealerweise in Präsenz stattfinden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus den CDU-Gremienberatungen. Wenn dies nicht möglich sei, solle ein digitaler Parteitag abgehalten werden. Fehle noch eine Gesetzesgrundlage, solle per Briefwahl abgestimmt werden.

Die Linke plante ihren Parteitag zur Wahl der neuen Spitze bereits an diesem Freitag in Erfurt. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch rechnet nicht damit, dass er stattfindet. »Angesichts der Lage kann ich mir nicht vorstellen, dass der Parteitag normal zusammenkommt - auch nicht für einen Tag«, sagte er RTL/ntv.

In acht Bundesländern begann am Montag nach den Herbstferien wieder die Schule. Corona-Auflagen gelten vielerorts weiter oder wurden noch verschärft. So müssen in Berlin Schüler der Oberstufe sowie aller Berufsschulen und Oberstufenzentren Masken auch im Unterricht tragen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag), er rate zu großer Vorsicht. Der Schulbetrieb sei »die größte tägliche Massenveranstaltung« mit mehr als zehn Millionen Teilnehmern.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich in der »Passauer Neuen Presse« (Montag) für einen »sehr kurzen, zeitlich eng begrenzten Teil-Lockdown« aus. »Weniger Freunde treffen, weniger Restaurantbesuche, weniger ins Kino und zu Sportveranstaltungen gehen.« Noch sei der Anstieg der Infektionen einzudämmen. »Das Fenster schließt sich aber deutlich.«

Um eine größere Grippe-Welle parallel zu Corona im Herbst und Winter zu vermeiden, hat die Bundesregierung auch zu mehr Grippe-Impfungen aufgerufen. Das Gesundheitsministerium trat Befürchtungen vor einem Mangel an Impfdosen entgegen. Insgesamt seien für diese Grippesaison 26,675 Millionen Dosen beschafft worden. »Davon stehen noch 7,4 Millionen Dosen bereit, um in den kommenden Wochen bis Jahresende ausgeliefert zu werden«, sagte ein Sprecher der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Montag). »Wir rechnen damit, dass weitere Impfstoffdosen im Großhandel, in den Apotheken und in Arztpraxen lagern. Das sollte reichen, um die große Nachfrage nach Grippeimpfungen zu befriedigen.« (dpa)