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CDU pocht auf Regierungsauftrag in Berlin

Regiert künftig ein Zweierbündnis unter Führung der CDU Berlin - oder macht die bisherige Koalition trotz ihrer Verluste weiter? Die Union sieht im deutlichen Wahlsieg einen klaren Regierungsauftrag.

Kai Wegner
CDU-Spitzenkandidat und Wahlsieger Kai Wegner: »Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden«. Foto: Axel Heimken
CDU-Spitzenkandidat und Wahlsieger Kai Wegner: »Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden«.
Foto: Axel Heimken

CDU-Chef Friedrich Merz sieht nach dem Sieg seiner Partei bei der Wahl in Berlin einen klaren Auftrag für die CDU zur Regierungsbildung. SPD, Grüne und Linke erwägen aber auch eine Fortsetzung ihres bisherigen Dreierbündnisses. Rechnerisch wäre dies trotz des deutlichen Vorsprungs der CDU ebenso möglich wie Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot.

»Der jetzige Senat mag noch über eine rechnerische Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen, politisch hat er die Mehrheit gestern verspielt«, sagte Merz. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner erhebt einen klaren Regierungsanspruch und drückt aufs Temp: Er wollte SPD und Grüne noch am Montagabend zu Sondierungen einladen. Ziel sei es, Gespräche noch in dieser oder Anfang kommender Woche zu führen, sagte Wegner am Montag der Deutschen Presse-Agentur. »Jetzt ist nicht die Zeit für Taktierer, jetzt ist die Zeit für Macher.«

Die CDU hatte am Sonntag 28,2 Prozent der Stimmen bekommen (2021: 18,0 Prozent) - ihr stärkstes Ergebnis seit gut 20 Jahren in der Hauptstadt. »Die Berlinerinnen und Berliner haben den Wechsel gewählt«, sagte Wegner.

Die SPD schnitt mit 18,4 Prozent so schlecht ab wie noch nie bei einer Berlin-Wahl in der Nachkriegszeit (2021: 21,4). Die Grünen erreichten ebenfalls 18,4 Prozent (18,9), lagen aber 105 Stimmen hinter den Sozialdemokraten. Die Linke kam auf 12,2 Prozent (14,1), die AfD legte auf 9,1 Prozent zu (8,0). Ein bitterer Wahlabend war es für die FDP, die mit 4,6 Prozent aus einem weiteren Landesparlament flog (7,1).

Giffey: »Sind angetreten, damit das Rote Rathaus rot bleibt«

Trotz der Wahlschlappe der SPD beansprucht die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine wichtige Rolle für ihre Partei in der künftigen Landesregierung. »Wir sind im Wahlkampf angetreten, damit das Rote Rathaus rot bleibt, das war unser Ziel, und wir werden natürlich auch Gespräche führen, die ausloten, inwieweit so eine Fortführung möglich ist«, sagte Giffey nach Beratungen der SPD im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Als zweitstärkste Kraft erhebe die SPD den Anspruch, »diese Stadt weiterhin zu gestalten«, sagte Giffey.

Nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstandes am Montagabend sagte Giffey, im Vorstand gebe es eine »klare Tendenz« hin zu einer Fortsetzung von Rot-Grün-Rot. Aber auch mit der CDU solle sondiert werden. »Wir haben uns verständigt, dass wir in Sondierungsgespräche gehen mit der CDU, aber auch mit unseren Koalitionspartnern.« Zur Frage eines möglichen Rücktrittes sagte Giffey: »Meine Partei hat mir heute im Bundesvorstand Rückendeckung gegeben, und der Landesvorstand hat das auch getan.« SPD-Chef Lars Klingbeil sagte am Abend in Erfurt, Giffey sollte die Chance bekommen, länger als ein Jahr lang »die Dinge in Berlin zu verändern«.

Auch Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch will mit der CDU erste Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung führen. Ohne wesentliche Zugeständnisse der CDU hält sie eine schwarz-grüne Koalition aber nicht für denkbar. Die Mobilitäts- und Umweltsenatorin betonte erneut, dass sie eine Fortsetzung der Koalition von SPD, Grünen und Linke favorisiere. Sie könne sich eine weitere Zusammenarbeit mit Giffey gut vorstellen. Den denkbar knappen Vorsprung der SPD wollen die Grünen akzeptieren. »Wenn es ein amtliches Endergebnis am Ende gibt, dann ist es so.«

Berlins Linken-Landeschefin Katina Schubert sieht einzig in der Fortsetzung von Rot-Grün-Rot eine stabile Koalition. Aus Sicht der AfD wäre die Fortsetzung des Bündnisses dagegen eine Missachtung des Wählerwillens. Das Ergebnis zeige, dass die bisherige Regierungskoalition »klar abgewählt wurde«, sagte der Parteivorsitzende Tino Chrupalla in Berlin.

Berliner SPD-Vize: »Es kann nicht so weitergehen«

Der Berliner SPD-Vize Kian Niroomand bezeichnete das schlechte Ergebnis seiner Partei als Zäsur. »Es kann nicht so weitergehen«, sagte Niroomand der dpa. Die SPD müsse ihre Wahlniederlage »mit Demut annehmen« und hinterfragen, wie sie sich für die Zukunft aufstellen wolle. Der SPD-Fraktionschef und Co-Landesvorsitzende Raed Saleh meinte, die SPD werde mit den demokratischen Parteien Gespräche führen, »um den besten Weg für die Stadt auszuloten«. Dies gelte insbesondere für die bisherigen Koalitionspartner.

Unterdessen sieht die Landeswahlleitung bislang keinen Grund für Nachzählungen aufgrund des sehr knappen Vorsprungs der SPD vor den Grünen. Bislang gebe es keine Hinweise auf konkrete Zählfehler, teilte Landeswahlleiter Stephan Bröchler mit.

Nach seinen Angaben gibt es künftig 159 Sitze im Berliner Abgeordnetenhaus. Davon erhält die CDU 52. Die SPD und die Grünen bekommen je 34 Mandate. Die Linke kommt auf 22 Sitze, die AfD auf 17.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht.

Landeswahlleiter zufrieden - aber wieder »sehr ärgerlicher Fehler«

Nach diesem Wahlsonntag zeigte sich Landeswahlleiter Bröchler zufrieden. Es sei allerdings zu einem »sehr ärgerlichen Fehler« in einem der 2257 Wahllokale gekommen, sagte er. In dem Wahllokal in Tempelhof-Schöneberg seien 115 falsche Stimmzettel für Erststimmen ausgeteilt worden. Das sei aber weder für das dortige Erststimmen-Ergebnis noch für den Ausgang der Wahl insgesamt relevant gewesen. Weitere kleinere »sehr niedrigschwellige« Fehler in verschiedenen Wahllokalen seien schnell behoben worden.

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,1 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde damals gleichzeitig der Bundestag gewählt.

© dpa-infocom, dpa:230212-99-570314/46