BERLIN. Nach knapp einjähriger Hängepartie startet heute der digitale CDU-Parteitag zur Wahl eines neuen Vorsitzenden.
Unter anderem sind Reden der scheidenden Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sowie digitale Grußworte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Markus Söder und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant. Der neue Parteichef soll am Samstagvormittag gewählt werden.
Die CDU will als erste Partei in Deutschland ihren Vorsitzenden online bestimmen. Neben NRW-Ministerpräsident Armin Laschet treten Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen zur Wahl an. Es wird damit gerechnet, dass keiner der Kandidaten schon im ersten Wahlgang die dann nötige absolute Mehrheit erhält und dass direkt im Anschluss ein zweiter Wahlgang nötig wird. Im zweiten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.
Um die »digitale Vorauswahl« rechtssicher zu machen, schließt sich nach Samstag eine Briefwahl an. Deren Ergebnis soll am 22. Januar feststehen und verkündet werden. Laschet, Merz und Röttgen haben versichert, dass sie das Ergebnis der Online-Abstimmung akzeptieren werden. Sie wollen bei einer Niederlage nicht mehr zur Briefwahl antreten, was rein rechtlich möglich wäre. Daher ist damit zu rechnen, dass der neue CDU-Chef am Samstag feststehen dürfte.
Ist der neue CDU-Vorsitzende gewählt, dürfte in der Union rasch die Diskussion über den richtigen Kanzlerkandidaten an Schwung gewinnen. In den vergangenen Monaten lag bei Umfragen zu diesem Thema regelmäßig der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder vorne. Söder selbst hat allerdings bisher öffentlich keine Ambitionen auf das Kanzleramt deutlich gemacht.
Auch am Freitag blieb Söder dazu vage. Auf die Frage, unter welchen Umständen der Kanzlerkandidat der Union aus der CSU kommen könnte, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe: »Selbst in der CDU wird diskutiert, dass es bislang keinen geborenen Kandidaten gibt. Wer der Richtige ist, hängt auch vom inhaltlichen Profil ab, mit dem wir in die Bundestagswahl gehen wollen.«
CDU-Parteitag soll über Vorsitzendenfrage entscheiden
Zuletzt hatte sich angedeutet, dass CDU und CSU ihren Kanzlerkandidaten erst nach den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 14. März küren werden. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte dem »Münchner Merkur« zum Zeitplan gesagt: »In den ersten ein, zwei Wochen nach Ostern sollten wir uns festgelegt haben.«
Im Parteitagsstudio auf dem Berliner Messegelände werden am Freitag und Samstag wegen der Corona-Pandemie nur der engste Führungszirkel um Kramp-Karrenbauer und Ziemiak, die drei Kandidaten sowie Techniker anwesend sein. Nationale und internationale Gäste und Journalisten sind wegen der Pandemie nicht zugelassen. Der Parteitag soll jedoch komplett im Internet und im Fernsehen übertragen werden.
Nach der Wahl des neuen Vorsitzenden wird bis auf Generalsekretär Ziemiak auch die komplette CDU-Führungsspitze online neu gewählt. Laschet hat für den Fall eines Sieges angekündigt, dass er seinen Teampartner, Gesundheitsminister Jens Spahn, als einen von fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlagen wird. Merz kündigte am Donnerstagabend an, dass er die Bewerbungen von drei JU-Kandidatinnen für den CDU-Bundesvorstand unterstütze.
Die Lösung der Personalfrage nach der Rückzugsankündigung Kramp-Karrenbauers im Februar schleppt sich wegen der Corona-Pandemie seit dem Frühjahr hin. Ein ursprünglich für Ende April anvisierter Sonderparteitag sowie ein Parteitag im Dezember waren wegen der Pandemie im Einvernehmen mit den Nachfolgekandidaten abgesagt worden.
Mehrere Spitzenpolitiker riefen die Partei zuletzt zu Geschlossenheit nach der Wahl des Vorsitzenden auf. »Es ist wichtig, dass wir als CDU nach der Wahl geschlossen sind und uns hinter dem neuen Parteivorsitzenden versammeln - egal wer von den drei Bewerbern am Ende das Rennen macht«, sagte etwa Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans der Düsseldorfer »Rheinischen Post«. Alle drei Kandidaten hätten in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie »im Ton, Stil und Inhalt fair miteinander umgehen können«. Der von vielen befürchtete ruinöse Wettbewerb sei ausgeblieben. »Das war gut so.«
CSU-Chef Söder riet der Union, auf dem Weg zur Bundestagswahl am 26. September nicht mit Merkels Politik zu brechen. Für Merkel und ihre Politik gebe es eine große Zustimmung in Deutschland. Aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Redaktionsnetzwerk Deutschland ging hervor, dass sich 60 Prozent der Bürger unter dem neuen CDU-Chef einen Kurs der Mitte wünschen. 31 Prozent hingegen meinten, die CDU sollte wieder mehr ihre konservativen Werte betonen. (dpa)