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CDU-Führungsfrage: AKK beim Zeitplan unter Druck

Der angekündigte Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer wirft viele Fragen auf. Die Parteichefin selbst will am vereinbarten Fahrplan festhalten. Der sieht eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur erst im Dezember vor. Der Widerstand dagegen wächst rasch.

Kramp-Karrenbauer
Verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur und auf den CDU-Vorsitz: Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: Gregor Fischer/dpa
Verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur und auf den CDU-Vorsitz: Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: Gregor Fischer/dpa

Berlin (dpa) - Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gerät nach ihrer Rücktrittsankündigung unter innerparteilichen Druck, die offene Führungsfrage schnell zu klären.

Die Schwesterpartei CSU, aber auch führende CDU-Politiker wiesen ihre Vorstellung zurück, über Kanzlerkandidatur und künftige Parteiführung erst im Herbst/Winter zu entscheiden. Dies sei idealistisch, abwegig und ohne Chance auf Umsetzung, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warnte vor der Gefahr, »dass wir uns jetzt elendiglich lange mit Personaldebatten beschäftigen«. Kramp-Karrenbauer selbst betonte allerdings, die CDU stehe nicht unter Druck, einen neuen Vorsitzenden zu finden.

Über die Kanzlerkandidatur soll nach dem bisherigen Zeitplan ein Bundesparteitag Anfang Dezember entscheiden. Dann steht regulär auch die Neuwahl der Parteispitze an. »Wir müssen uns keinen Stress machen«, bekräftigte Kramp-Karrenbauer in der Sitzung der Unionsfraktion in Berlin nach Angaben von Teilnehmern.

Dagegen betonte CSU-Landesgruppenchef Dobrindt: »Krisenhafte Situationen bewältigt man nicht durch das Zelebrieren der Krise, sondern durch Handeln.« CSU-Chef Markus Söder forderte Klarstellungen in »absehbarer Zeit«. Es dürfe hier kein zu langes Verfahren geben, zitierten ihn Teilnehmer einer CSU-Fraktionssitzung im Landtag am Dienstag in München. Am Montagabend sagte Söder im ZDF: »Ganz offen gesagt, ist jetzt nicht die Zeit für Spielchen.« Er wandte sich auch gegen Regionalkonferenzen zur Klärung der Personalfragen und gegen Kampfkandidaturen.

Kramp-Karrenbauer hatte am Montag überraschend ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur erklärt und angekündigt, auch den CDU-Vorsitz abgeben zu wollen. Sie betonte, sie werde als Parteichefin den Prozess zur Bestimmung eines Kanzlerkandidaten »weiter von vorne« führen. Parteivorsitz und Kanzlerschaft gehörten aus ihrer Sicht in eine Hand. Sollten mehrere Kandidaten antreten, sind aus Sicht der CDU-Chefin auch Regionalkonferenzen denkbar, wie es sie bereits 2018 bei der Kür der CDU-Spitze gab.

CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte in München, zunächst müsse die CDU die Frage des Parteivorsitzes klären. »Danach werden wir miteinander in der Union, CDU und CSU gemeinsam, die Frage der Kanzlerkandidatur gemeinsam klären.«

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte mit Blick auf den Parteivorsitz: »Ich meine vom Zeitplan her, dass das vor der Sommerpause entschieden werden muss.« Die CDU könne sich »jetzt nicht ein Jahr lang mit Personalfragen beschäftigen«. Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann sagte ebenfalls, er bezweifele, dass die Partei bis Weihnachten warten könne. »Eine schnellere Entscheidung würde uns allen gut tun.«

Christian Baldauf, der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Mainzer Landtag, sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Vor der Sommerpause sollte Klarheit herrschen.« Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) lehnte im Hessischen Rundfunk auch eine Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz ab: »Wir möchten nicht den gleichen Zirkus veranstalten wie die Sozialdemokraten. Wir können uns das derzeit nicht erlauben, dass wir uns monatelang mit uns selbst beschäftigen.«

Führende Politiker der großen Koalition gehen trotz der Umbrüche in der CDU von einem Fortbestand des Bündnisses aus. Kramp-Karrenbauer bekräftigte in mehreren Interviews, dass die Union zu Regierung und Koalition stehe. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Dienstag in Berlin: »Diese Koalition ist arbeitsfähig und arbeitswillig.« Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor schon in der ARD versichert: »Die große Koalition wird ihre Arbeit machen. Dazu ist sie verpflichtet.«

SPD-Vize Kevin Kühnert riet, die CDU nicht zu einer schnellen Lösung zu drängen. »Wenn große Fragen zu entscheiden sind, dann sollte man sich die notwendige Zeit dafür nehmen«, sagte er im ZDF.

Auslöser der jüngsten Verwerfungen in der CDU war die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten vergangene Woche. Dabei wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD gewählt, was Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel scharf kritisierten. Die Parteichefin konnte sich aber bei der Thüringer CDU nicht mit der Forderung nach einer raschen Neuwahl durchsetzen. Kemmerich ist zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt.

Eine offene Personalie in Berlin wurde inzwischen geklärt: Innenstaatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) soll die Nachfolge von Christian Hirte als Ost-Beauftragter antreten. Nach Angaben aus Regierungskreisen soll das Kabinett an diesem Mittwoch über seine Berufung beschließen. Hirte war nach einem heftig kritisierten Lob für die Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten auf Druck von Merkel zurückgetreten.

Kramp-Karrenbauer lehnte erneut jede Zusammenarbeit der Union mit AfD oder Linker ab. Es gebe »Einzelstimmen in der Partei, die mit der AfD zusammenarbeiten wollen«, räumte sie nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung der Unionsfraktion ein. Die Mauer gegenüber der AfD müsse aber bestehen bleiben, sagte sie demnach sinngemäß. Die CDU-Vorsitzende hatte am Montag »starke Fliehkräfte« in der Gesellschaft und in ihrer Partei beklagt.

Inzwischen wächst der Druck auf die ultrakonservative Werteunion. Der CDU-Sozialflügel (CDA) verlangte, die »Unvereinbarkeit« zwischen einer Mitgliedschaft in der Werteunion und in der CDU »durch einen Beschluss deutlich zu machen«. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans sagte der »Rheinischen Post«: »Ein Bekenntnis zur Werteunion ist eine Beleidigung für alle CDU-Mitglieder.« Der Vorsitzende der Gruppierung, Alexander Mitsch, sagte dagegen im SWR: »Ohne uns wird die Partei zukünftig keine Wahlen gewinnen können.«

Trotz aller Abgrenzungen gegenüber der AfD rechnet fast jeder zweite Deutsche (48 Prozent) damit, dass die Partei in den nächsten zehn Jahren an einer Landes- oder sogar Bundesregierung beteiligt wird. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Nur 29 Prozent der Befragten sehen die AfD bis 2030 nicht in Regierungsverantwortung.