BERLIN. Erst tauchen private Chats mit der Familie im Netz auf, dann hagelt es schon das zweite Mal Spott und Kritik wegen Wahlkampf-Äußerungen auf Facebook.
Nun hat Robert Habeck genug. Unter der Überschrift »Bye bye, Twitter und Facebook« kündigte der Grünen-Politiker am Montag auf seinem Blog an, seine Konten auf Facebook und Twitter dicht zu machen. Für einen Politiker der viel über diese Kanäle kommuniziert und ein junges Publikum ansprechen will, ist das eine schwerwiegende Entscheidung. Auf Twitter folgen Habeck bisher mehr als 48.000, auf Facebook folgen mehr als 49.000 seiner Seite.
Twitter sei ein »sehr hartes Medium, wo spaltend und polarisierend geredet wird«, das färbe auch auf ihn ab, sagte der 49-Jährige am Montag vor Beginn einer Vorstandsklausur der Grünen in Frankfurt (Oder). Zudem seien die privaten Informationen im Zuge des großangelegten Datendiebstahls über Twitter verbreitet worden. Da seine Facebookdaten ausgelesen worden seien, werde er auch in diesem Netzwerk seien Aktivitäten einstellen.
Zur Vorgeschichte der Twitter-Entscheidung: Der Grünen-Chef hatte sich am Sonntag mit einem Aufruf zur Unterstützung bei der Landtagswahl in Thüringen Spott und Kritik zugezogen. In einem von den Thüringer Grünen veröffentlichten Video sagte er: »Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.« Die Formulierung sorgte für Irritationen - zumal die Grünen in Thüringen derzeit mitregieren.
Und es war nicht der erste Stolperer. Vor der bayerischen Landtagswahl im Oktober hatte Habeck auf Twitter gefordert, die CSU-Alleinherrschaft zu beenden, damit man sagen könne: »Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern«. Auch dafür war er heftig kritisiert worden. »Ich habe mich gefragt, wie ich den gleichen Fehler zweimal machen kann«, sagte Habeck am Montag. Das sei »einfach nur dämlich« gewesen. Er habe eine schlaflose Nacht gehabt. »Deswegen werde ich da aussteigen.«
In seinem Blog schrieb Habeck, das Video wirke, »als würde ich Thüringen absprechen, weltoffen und demokratisch zu sein. Was ich natürlich null tue.« Dass er »wird« gesagt habe - statt »bleibt« - sei »ein echter Fehler«. Aufgezeichnet habe er das Video schon im November auf dem Bundesparteitag der Grünen. Den Blogbeitrag verbreitete Habeck am Montag auch über seine Twitter- und Facebook-Konten.
Soziale Netzwerke sind für Politiker und Prominente ein Weg, um direkt und sehr schnell Zehn- oder Hunderttausende mit ihren Botschaften zu erreichen. Wichtige Politiker ohne eigene Aktivität in den sozialen Netzwerken werden mehr und mehr zur Ausnahme. »Kann sein, dass das ein politischer Fehler ist, weil ich mich der Reichweite und direkten Kommunikation mit doch ziemlich vielen Menschen beraube. Aber ich weiß, dass es ein größerer Fehler wäre, diesen Schritt nicht zu gehen«, schrieb Habeck in seinem Blog.
Er ertappe sich selbst dabei, wie er nach Auftritten in Talkshows oder Parteitagen »gierig« prüfe, wie er im Netz angekommen sei. »Ich möchte gern wieder konzentrierter sein, fokussierter und auf die lange Distanz geeicht, nicht auf den kurzfristigen Geländegewinn«, schrieb Habeck.
Zum Datendiebstahl bei fast 1000 Politikern, Prominenten und Journalisten sagte der Grünen-Vorsitzende: »Wenn dem noch was Positives abzugewinnen ist, dann dass die Politik, die polizeilichen Ermittlungen endlich aufwachen und scharf gestellt werden, so dass wir vielleicht auch in Zukunft eine sichere Kommunikation auf dem digitalen Weg haben.«
Er habe sich nach dem Online-Angriff gefragt, ob seine Passwörter nicht gut genug gewesen seien, sagte Habeck. »Das waren sie offensichtlich nicht, sonst wäre das ja nicht geglückt.« Der Angriff sei aber über die Konten seiner Familie erfolgt. »Wir werden mit digitalen Diebstählen immer weiter rechnen müssen«, sagte er. »Das ist wie in der analogen Welt. Wir können unsere Türen und Fenster verriegeln und verrammeln, irgendeiner wird doch immer wieder mal einbrechen.« Deswegen sei es zentral, dass die Ermittlungen erfolgreich seien und klar werde, dass Datendiebstahl kein Kavaliersdelikt sei. Da müsse nachgelegt werden. (dpa)