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Bundeswehrverband verlangt Sofortprogramm

Bei der Bundeswehr fehlt es an allen Ecken und Enden. Für die Verteidigung des eigenen Landes ist die Truppe nicht gut aufgestellt. Russlands Einmarsch in die Ukraine löst neue Diskussionen aus.

Bundeswehr
Eurofighter auf dem Fliegerhorst. Der Bundeswehrverband fordert mehr Geld und ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Ausrüstung. Foto: Felix Hörhager
Eurofighter auf dem Fliegerhorst. Der Bundeswehrverband fordert mehr Geld und ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Ausrüstung.
Foto: Felix Hörhager

Als Reaktion auf die Ukraine-Krise hat der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Ausrüstung der Truppe und eine weitere Aufstockung des Verteidigungsetats gefordert.

»Warten ist nicht mal mehr die zweitbeste Option«, sagte Wüstner am Samstag im ZDF. »Wir haben im Bereich Munition, Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge, Ersatzteile massive Probleme.« Die Politik müsse jetzt »endlich aufwachen«. Das gelte nicht nur für die strategische Neuausrichtung in der Russlandpolitik, sondern auch für die Aufstellung der Bundeswehr.

Der neue CSU-Generalsekretär Stephan Mayer forderte ebenfalls im ZDF eine starke Aufstockung des Verteidigungshaushalts. Es gelte, »die Bündnis- und die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr zu verbessern und ganz konkret das Zwei-Prozent-Ziel auch möglichst bis 2023 dann auch anzustreben«, sagte Mayer. Gemeint ist die Zusage der Nato-Partner, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Zuletzt lag Deutschland bei 1,55 Prozent und damit sehr weit vom Ziel entfernt.

Es fehlt an elementaren Dingen

Mayer sagte, es gebe Meldungen, dass der Bundeswehr elementare Dinge wie warme Unterwäsche fehlten. Das müsse »ein Alarmsignal für die deutsche Politik sein«. Nötig sei eine sachgerechte Ausstattung. Das sei nicht gleichzusetzen mit Aufrüstung.

Der Heeresinspekteur Alfons Mais hatte am Donnerstag Alarm geschlagen, was die Ausrüstung der Bundeswehr angeht. In seinem 41. Dienstjahr im Frieden habe er nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. »Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da«, sagte er.

Zu den ukrainischen Forderungen nach deutschen Waffen und militärischer Ausrüstung sagte Wüstner im ZDF, dass die Bundeswehr selbst an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Vorräte sei. »Wir können ja nicht das liefern, was wir selbst nicht haben«, sagte er.

Die Ukraine hat der Bundesregierung eine Wunschliste vorgelegt, auf der unter anderem Nachtsicht-, Ortungs- oder Minenräumgeräte stehen. Die Bundesregierung lehnt die Lieferung tödlicher Waffen aus prinzipiellen Gründen ab, will aber gegebenenfalls sonstige Rüstungsgüter liefern. Die Prüfung der Liste läuft noch.

»Aufrüstung allein kann nicht die Antwort sein«

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte unterdessen davor, höhere Militärausgaben als alleinige Reaktion auf den Ukraine-Krieg einzuplanen. »Wir werden der Bundeswehr alles zur Verfügung stellen, was sie für ihren Auftrag benötigt. Aber immer noch mehr Aufrüstung kann nicht die Antwort sein«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Samstag). »Klüger wäre es, in Europa endlich unsere militärischen Kräfte zu bündeln.«

Ein SPD-Fraktionssprecher ergänzte am Samstag, dass Mützenich nicht gegen eine bessere Ausstattung der Bundeswehr sei, also auch nicht wie in vergangenen Haushaltsjahren gegen einen höheren Verteidigungsetat. Er weise nur darauf hin, dass Aufrüstung nicht die alleinige und klügste Antwort sein könne.

Mützenich sagte der Zeitung, die Nato-Staaten gäben 1000 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Verteidigung aus, und die Europäer investierten schon jetzt ein Vielfaches des russischen Etats in ihr Militär. Er setze seine Hoffnung in internationale Abrüstung und Rüstungskontrollverträge. »Nur so können wir die Welt langfristig sicherer machen.«

»Auf Verschleiß gemanagt«

Finanzminister und FDP-Chef Lindner hatte zuvor gesagt, »dass die Mittel für die Bundeswehr verstärkt werden müssen«, da die deutschen Streitkräfte »seit vielen, vielen Jahren auf Verschleiß gemanagt wurden«. Die deutsche Politik müsse lernen, »dass auch Bündnisverteidigung eine politische Priorität ist«.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Trittin, geht davon aus, dass der Krieg Auswirkungen auf den ersten Haushalt der Regierung aus SPD, Grünen und FDP haben wird. »Die Ausrüstungs- und Fähigkeitsmängel der Bundeswehr müssen ebenso behoben werden wie die Defizite, die wir im Bereich der Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit haben.« Das stehe schon im Koalitionsvertrag. Bei der Bundeswehr gebe es »eklatante Ausrüstungsmängel«.

Zudem müsse Deutschland bei seinen Fähigkeiten zur gemeinsamen Selbstverteidigung im Nato-Bündnis nachbessern, etwa bei der Luftabwehr. »Das wird die Koalition vor Diskussionen stellen.« Trittin betonte: »Mehr Geld für äußere Sicherheit in der jetzigen krisenhaften Situation passt mit dem Dogma der schwarzen Null nicht zusammen.«

© dpa-infocom, dpa:220226-99-299674/3