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Bundeswehr bekommt 60 schwere Chinook-Transporthubschrauber

Die Verwendung des Sondervermögens für die Bundeswehr nimmt Form an: Neue schwere Transporthubschrauber sollen für den schnellen Transport von Fahrzeugen, Material und Soldaten beschafft werden.

Transporthubschrauber Chinook CH-47F
Drei Transporthubschrauber des Typs Chinook CH-47F werden von einem Tankflugzeug der Luftwaffe betankt. Visualisierung von Boeing. Foto: Emad Aljumah
Drei Transporthubschrauber des Typs Chinook CH-47F werden von einem Tankflugzeug der Luftwaffe betankt. Visualisierung von Boeing.
Foto: Emad Aljumah

Die Bundeswehr soll für einen Milliardenbetrag mit 60 schweren Transporthubschraubern des US-Herstellers Boeing ausgerüstet werden.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) habe entschieden, die Beschaffung des Modells CH-47F Chinook in der Version mit Luftbetankungsfähigkeit einzuleiten, teilt das Verteidigungsministerium dem Bundestag mit. In der Bundeswehr wird seit Jahren auf Fortgang in dem zwischenzeitlich gestoppten Projekt gewartet. Für den Kauf sind mehr als fünf Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr veranschlagt.

Chinook gilt als Arbeitspferd

Die Helikopter gelten als Arbeitspferd für den schnellen Lufttransport von Fahrzeugen, Material und Soldaten und sind für die Landes- und Bündnisverteidigung wichtig, aber auch bei Auslandseinsätzen. Das CH in der Modellbezeichnung steht für »cargo helicopter«. Der CH-47 ist dabei durch eine charakteristische Bananenform und zwei Hauptrotoren leicht zu erkennen.

»Die CH-47F ist ein etabliertes, technisch ausgereiftes, einsatzerprobtes Produkt, von dem mehr als 500 Luftfahrzeuge sowohl bei der U.S. Army als auch einer Reihe von europäischen Nutzern im Einsatz sind«, heißt es in dem Schreiben des Ministeriums, das als Verschlusssache eingestuft ist und der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Kooperationen mit anderen Nutzern könnten ausgebaut werden. »Der geringere Stückpreis der CH-47F ermöglicht zudem die Beschaffung einer höheren Stückzahl, was für die Streitkräfte eine größere operationelle Flexibilität bei gleichzeitiger Erfüllung aller wesentlichen Nutzerforderungen bedeutet.«

Alternatives Modell von Lockheed Martin

Der konkurrierende US-Rüstungskonzern Lockheed Martin hatte das Modell CH-53K angeboten. Allerdings nutzen derzeit von den Partnern Deutschlands nur die USA und Israel die Maschine. Sie kann höhere Außenlasten tragen, wie sie bei der Verlegung von Soldaten von Schiffen an Land nötig werden können. Lockheed Martin hatte bei dem Angebot eine Zusammenarbeit mit Rheinmetall angeboten.

Aus der FDP war für einen Kauf des Modells CH-53K plädiert worden. »Die FDP verlangt Kostentransparenz für den Steuerzahler, sowohl bei der Anschaffung, als auch bei den Betriebskosten«, sagte der FDP-Obmann Alexander Müller am Mittwoch. »Ohne den verbindlichen Preisvergleich habe ich große Zweifel, ob der Haushaltsausschuss dafür Geld hergibt. Wir reden hier über 6 bis 8 Milliarden Euro Beschaffungskosten.«

Deutsche Militärexperten in Luftwaffe und Heer hatten auf Vorzüge des Boeing-Modells hingewiesen, das im Verbund mit Airbus betrieben werden soll. So gebe es kaum Einschränkungen bei Staublandungen, wie sie in Afrika nötig sind. Die Fähigkeit zur Luftbetankung ist für Flüge über längere Strecken Voraussetzung. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz schrieb auf Twitter: »Die Chinook ist eine Entscheidung für Europa!« Der CH-47F sei ein einsatzerprobter, technisch ausgereifter und marktverfügbarer Hubschrauber.

Lambrecht warb im Bundestag für weitere Steigerungen des Wehretats und ein Ende der Vernachlässigung der Bundeswehr. »Der brutale russische Angriffskrieg führt uns schmerzhaft eine lange verdrängte Tatsache vor Augen. Wer in Freiheit leben will, braucht militärische Stärke, um diese Freiheit zu verteidigen«, sagte sie.

Sondersitzung zur Verwendung des 100-Milliarden-Pakets

Fachpolitiker von Union und Ampel-Koalition räumten in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses offene Fragen zur Verwendung des 100-Milliarden-Euro-Pakets für die Bundeswehr aus. Dabei seien klärende Unterlagen zu den Beschaffungsvorhaben geliefert worden, sagten Politiker von CDU und CSU der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend. Auch aus den Reihen der Ampel-Parteien hieß es, die Sache sei durch. Die Union hatte zuvor Gesprächsbedarf zu Details angemeldet.

Nach dpa-Informationen stimmte am Mittwoch zudem der Haushaltsausschuss dem Wirtschaftsplan für das Paket zu. Damit ist der Weg frei für eine Abstimmung im Bundestag am Freitag.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sowie die Union hatten sich am Sonntagabend nach wochenlangem Ringen auf die gesetzlichen Grundlagen für das geplante Sondervermögen geeinigt. Damit gibt es im Grundsatz grünes Licht für Waffenbestellungen bei der Rüstungsindustrie in großem Stil. Weil das Sondervermögen im Grundgesetz verankert werden soll, braucht es eine Zweidrittelmehrheit - und damit auch Stimmen aus der Opposition.

Grüne fürchten russische Cyberangriffe

Bei den Grünen sind viele nicht glücklich mit dem erzielten Kompromiss. Und zwar nicht, wie selbst mehrere Parteilinke betonen, weil sie grundsätzliche Vorbehalte gegen mehr Geld für die Bundeswehr hätten. Sondern zum Beispiel deswegen, weil unklar bleibt, ob es nun tatsächlich mehr Geld für die Cyberabwehr gibt. Dabei drohten doch gerade dort russische Angriffe, so das Argument.

Und: Je mehr Projekte nicht über das Sondervermögen, sondern über den regulären Haushalt finanziert würden, desto größer die Gefahr, dass am Ende andere Vorhaben auf der Strecke bleiben - zumal die FDP auf Einhaltung der Schuldenbremse ab dem kommenden Jahr beharrt, was vielen gegen den Strich geht. Die allermeisten dürften am Ende trotzdem zustimmen, wenn auch teils mit der Faust in der Tasche, weil sie den Beschluss angesichts der weltpolitischen Lage mit dem Ukraine-Krieg für erforderlich halten. Mit vereinzelten Gegenstimmen oder Enthaltungen wird aber gerechnet. So wendet sich mit dem langjährigen Verdi-Chef Frank Bsirske einer der prominenten Grünen-Abgeordneten gegen das geplante Sondervermögen.

© dpa-infocom, dpa:220601-99-508689/7