100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr, jedes Jahr zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung, Waffen für den Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland:
Vor gut drei Monaten hat Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag mit diesen Ansagen eine Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Wenn das Parlament am Mittwoch zur Generaldebatte über den Bundeshaushalt zusammenkommt, werden Kanzler und Opposition auch eine erste Bilanz der damaligen Ankündigungen ziehen. Scholz hat einiges geliefert, für manchen in der Opposition aber zu wenig. Um diese Fragen wird es in der Generaldebatte gehen:
Aufrüstung: Droht da noch Ärger?
Dass sich die Koalition nach langem Ringen noch vor der Generaldebatte mit der CDU/CSU auf die Grundgesetzänderung für das 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr einigen konnte, freut vor allem den Kanzler. Beim EU-Gipfel in Brüssel konnte er sich am Montag und Dienstag damit brüsten.
Die Bundeswehr werde mit dem Aufrüstungsprogramm »nicht nur für Deutschland, sondern für Europa einen viel größeren Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leisten können«, betonte Scholz. »Wahrscheinlich wird die Bundeswehr danach wohl die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato sein, hier in Europa jedenfalls.« Das bedeute eine große Veränderung, »die wir aber auch unbedingt wollen«.
Scholz hat aber auch mit Unmut in den eigenen Reihen zu kämpfen, den nicht mehr alle verbergen können. Juso-Chefin Jessica Rosenthal schrieb in einem »Spiegel«-Beitrag, sie sei »nicht bereit, einer Grundgesetzänderung zuzustimmen, weil der Mut für eine echte Reform unserer Haushaltspolitik fehlt«. Dafür handelte sie sich einen Rüffel ihres Fraktionschefs Rolf Mützenich ein. Die Nervosität ist groß. Am Freitag wird abgestimmt.
Waffenlieferungen: Wann erhält die Ukraine schweres Gerät?
Unmittelbar nach Kriegsbeginn hatte Scholz ein Tabu gebrochen: Seitdem werden deutsche Waffen in einen laufenden Krieg gegen eine Atommacht geliefert. Panzerfäuste, Luftabwehrraketen, viele Millionen Schuss Munition. Aber was ist mit schweren Waffen wie Panzern oder Artilleriegeschützen?
Scholz hat zwei Zusagen gemacht: 50 Flugabwehr-Panzer vom Typ Gepard und 7 Panzerhaubitzen 2000 - moderne Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 40 Kilometern - sollen in die Ukraine geliefert werden. Sie sind aber noch nicht da. Für die Panzerhaubitzen läuft die Ausbildung ukrainischer Soldaten noch, für die Gepard-Panzer musste Munition gesucht werden.
Die andere Frage ist: Wird es weitere Zusagen für die Lieferung schwerer Waffen geben? Die Ukraine hat weiterhin eine lange Wunschliste. Scholz hat klargemacht, dass er sich von den Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor weiteren Waffenlieferungen des Westens nicht beeindrucken lassen will. Deutschland werde »die Ukraine so lange unterstützen, wie das notwendig ist«, sagte er am Montag in der ARD.
Preissteigerungen: Kommen noch mehr Entlastungen?
Während der Kanzler im Bundestag redet, werden Tausende Fahrgäste in Bussen und Bahnen zu einem neuen Billigtarif unterwegs sein, der die im Zuge des Krieges stark gestiegenen Energiepreise abfedern soll. Das 9-Euro-Ticket für den Monat Juni ist seit diesem Mittwoch, 0.00 Uhr, gültig. Auch im Juli und August wird man zu diesem Monatstarif den Nahverkehr nutzen können. Gleichzeitig sinkt die Energiesteuer, damit die Spritpreise günstiger werden.
Weitere bereits beschlossene Entlastungen sind der Wegfall der sogenannten EEG-Umlage zur Förderung von Wind- und Solarenergie, ein 100-Euro-Bonus zum Kindergeld und die Energiepauschale von 300 Euro für Erwerbstätige. Kommt da jetzt noch mehr? Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dazu am Wochenende mit seinem »sozialen Klimageld« für Menschen mit bis zu 4000 Euro Bruttoeinkommen einen ersten Aufschlag gemacht - und sich damit gleich Ärger mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) eingehandelt.
Gereizte Stimmung in der Koalition
Das spiegelt die nach den jüngsten Landtagswahlen einigermaßen gereizte Stimmung in der Koalition wieder. Während SPD und FDP in Nordrhein-Westfalen ordentlich Federn lassen mussten, sind die Grünen obenauf. In einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage fiel die SPD erstmals seit letztem August wieder unter die 20-Prozent-Marke. Im RTL/ntv-»Trendbarometer« landete sie mit 19 Prozent hinter der Union mit 29 Prozent und den Grünen mit 24 Prozent nur noch auf Platz 3. Auch das könnte den Ton in der Generaldebatte mitbestimmen.
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