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Bundestag will »Holodomor« als Völkermord anerkennen

Rund vier Millionen Menschen starben 1932/33 durch die von Stalin herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine. Mehrere Länder haben den »Holodomor« bereits als Völkermord eingestuft. Deutschland könnte folgen.

Baerbock und Kuleba
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (l.) gedenkt zusammen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba »Holodomor«-Opfer (Archivbild). Foto: Bernd von Jutrczenka
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (l.) gedenkt zusammen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba »Holodomor«-Opfer (Archivbild).
Foto: Bernd von Jutrczenka

Der Bundestag soll die vor 90 Jahren von Sowjetdiktator Josef Stalin gezielt herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine nach dem Willen von Ampel-Koalition und Union als Völkermord anerkennen. Das geht aus einem gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU hervor, über den »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Spiegel« berichteten.

Das vierseitige Papier mit dem Titel »Holodomor in der Ukraine: Erinnern - Gedenken - Mahnen« liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Der Resolutionsentwurf soll am kommenden Mittwochabend im Bundestag beraten und beschlossen werden.

Holodomor (»Mord durch Hunger«)

Dem sogenannten Holodomor (»Mord durch Hunger«) fielen 1932 und 1933 bis zu vier Millionen Ukrainer zum Opfer. Tote gab es damals auch in anderen Teilen der Sowjetunion, etwa in Kasachstan und im Süden Russlands. Mehrere Länder haben den Holodomor bereits als Genozid am ukrainischen Volk eingestuft und verurteilt, am Donnerstag vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Irland, die Republik Moldau und Rumänien.

»Betroffen von Hunger und Repressionen war die gesamte Ukraine, nicht nur deren getreideproduzierende Regionen«, heißt es in dem Antrag. »Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe. Der Deutsche Bundestag teilt eine solche Einordnung«, heißt es in dem Papier.

Weiter heißt es in dem Entwurf, der Holodomor reihe sich ein »in die Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme, in deren Zuge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden«. Das Verbrechen sei »Teil unserer gemeinsamen Geschichte als Europäerinnen und Europäer«. Dieses »Menschheitsverbrechen« sei in Deutschland und der Europäischen Union aber bisher wenig bekannt. Die Bundesregierung sei aufgefordert, zur Verbreitung des Wissens über den Holodomor und zum Gedenken an dessen Opfer beizutragen.

»Historischer und auch überfälliger Schritt«

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), sagte: »Es ist ein historischer und auch überfälliger Schritt, dass das deutsche Parlament den Holodomor als Völkermord an den Ukrainern endlich anerkennt. Es geht um Wahrheit und Gerechtigkeit für Millionen Opfer.« Union und Koalition hätten intensiv über den Antrag verhandelt und sich kurz vor dem 90. Jahrestag des Holodomor-Völkermords geeinigt. Die fraktionsübergreifende Einigung mache den Beschluss stark.

Der Grünen-Abgeordnete Robin Wagener sagte der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, der russische Präsident Wladimir Putin stehe »in der grausamen und verbrecherischen Tradition Stalins«. Heute werde die Ukraine erneut mit russischem Terror überzogen. »Erneut sollen durch Gewalt und Terror der Ukraine die Lebensgrundlagen entzogen, das gesamte Land unterworfen werden.« Die politische Einordnung des Holodomors als Völkermord sei ein »Signal der Mahnung«.

© dpa-infocom, dpa:221125-99-661541/3