Mehr als zwei Jahre nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts debattiert der Bundestag heute grundsätzlich über die Zukunft der Sterbehilfe in Deutschland.
In der allgemeinen Aussprache geht es noch nicht um konkrete parlamentarische Beratungen zu Gesetzentwürfen oder Anträgen. Für mögliche gesetzliche Regelungen haben mehrere Abgeordnetengruppen aber bereits fraktionsübergreifend Vorschläge vorgestellt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang 2020 ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat »geschäftsmäßig« nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet »auf Wiederholung angelegt«. Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf - aber auch mit Regulierungsmöglichkeiten wie Beratungspflichten oder Wartefristen.
Die verschiedenen Vorschläge
Aus dem Parlament wurden dazu bisher drei Initiativen vorgestellt, die teils noch in der vorigen Wahlperiode angegangen wurden:
- Nach dem Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Benjamin Strasser (FDP) soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden - aber mit einer Ausnahme für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.
- Eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP), Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD) schlägt eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts vor. Sie soll »das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist«, wie es im Entwurf heißt. Vorgesehen ist ein breites Beratungsangebot. Ärzte solle Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung dann verschreiben dürfen, wenn sie »von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches« ausgehen. Seit der Beratung müssten in der Regel mindestens zehn Tage vergangen sein.
- Die Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Katja Keul stellten Eckpunkte für ein »Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben« vor. Es gehe darum, Betroffenen mit klaren Kriterien einen Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln zu schaffen, hieß es bei der Vorlage. Unterschieden werden solle im Verfahren zwischen Menschen, die an schweren Erkrankungen leiden, und Suizidwünschen aus anderen Gründen. Vor der Abgabe tödlicher Mittel sei eine verpflichtende Beratung angemessen und verhältnismäßig, um die Selbstbestimmtheit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches abzusichern.
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