London (dpa) - Die britischen Abgeordneten kehren heute (12.30 Uhr MESZ) aus ihrer Zwangspause ins Parlament zurück. Das oberste britische Gericht hatte in einem historischen Urteil die von Premier Boris Johnson auferlegte Suspendierung des Unterhauses mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Für Johnson, der erst vor zwei Monaten das Amt des Premierministers übernommen hat, ist das die bislang heftigste Niederlage. Er will das Urteil nach eigenen Worten respektieren, hält es aber für falsch. Noch am Dienstag telefonierte er nach Angaben von Regierungsbeamten mit Queen Elizabeth II., zum Inhalt des Gesprächs wurde jedoch nichts bekannt. Zurücktreten wolle er jedenfalls nicht, hieß es aus Regierungskreisen.
Da der Parlamentskalender in den Händen der Regierung liegt, wird das zuständige Kabinettsmitglied, Jacob Rees-Mogg, die Tagesordnung für die kommende Woche bekanntgeben. Die mittwochs übliche Fragestunde im Parlament mit dem Regierungschef fällt aber aus. Johnson trifft erst um die Mittagszeit wieder aus New York ein, wo er an der UN-Vollversammlung teilnahm.
Es gilt als möglich, dass Johnson noch einmal versuchen will, die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Neuwahl zusammenzubekommen. Doch Oppositionsführer Jeremy Corbyn will sich darauf nicht einlassen, solange ein ungeregelter EU-Austritt am 31. Oktober nicht ausgeschlossen ist. Das machte Corbyn bei seiner Abschlussrede zum Labour-Parteitag in Brighton klar. Bei einem Brexit ohne Abkommen wird mit erheblichen Einbußen für die Wirtschaft und Verwerfungen in vielen anderen Lebensbereichen gerechnet.
Denkbar wäre auch, dass der Premier das Parlament in eine neue Zwangspause schickt. Um nicht wieder mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, müsste sie aber erheblich kürzer angesetzt werden als die nun vom Obersten Gericht gekippte fünfwöchige Pause. Die hatte in der Nacht zum 10. September begonnen und sollte bis zum 14. Oktober dauern. Denkbar wäre eine Pause von Anfang bis Mitte Oktober.
Vorerst wird aber das Unterhaus tagen, und Johnson muss sich auf unangenehme Fragen einstellen. Zum Beispiel über Geld, das an eine mit ihm befreundete US-Geschäftsfrau aus den Kassen der britischen Hauptstadt geflossen sein soll, als Johnson dort Bürgermeister war. Und auch weitere Dokumente aus den als »Operation Yellowhammer« bekannten No-Deal-Plänen der Regierung könnten die Abgeordneten verlangen.
Trotz Zwangspause hatte Johnson nicht verhindern können, dass die Abgeordneten ein Gesetz verabschiedeten, das den Premierminister zum Beantragen einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist verpflichtet. Sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen ratifiziert sein, müsste Johnson einen entsprechenden Antrag nach Brüssel schicken. Der Regierungschef will sich dem jedoch nicht beugen. Die No-Deal-Gegner dürften darauf aus sein, mögliche Schlupflöcher zu stopfen.