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Brics-Gruppe will mehr Gewicht in der Welt

Die Brics-Gruppe will sich erweitern und fordert eine - wie sie sagt - gerechtere Weltwirtschaft. Brics also als Gegengewicht zur wirtschaftlichen Dominanz des Westens?

Johannesburg
Indiens Premierminister Narendra Modi während des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer. Foto: Jerome Delay/DPA
Indiens Premierminister Narendra Modi während des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer.
Foto: Jerome Delay/DPA

Die Mitglieder der Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer haben in Südafrika ihr Gipfeltreffen begonnen. Chinas Präsident Xi Jinping, Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva, Südafrikas Cyril Ramaphosa und Indiens Premierminister Narendra Modi trafen am Dienstag in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg zusammen - Russlands Präsident Wladimir Putin wurde per Video zugeschaltet. Bei dem dreitägigen Treffen steht vor allem die Diskussion über eine Erweiterung der Gruppe im Mittelpunkt.

Putin, dem in Südafrika wegen eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs die Festnahme gedroht hätte, nahm das Treffen zum Anlass, das Aufkündigen des Getreideabkommens mit der Ukraine erneut mit scharfer Kritik am Westen und an Kiew zu rechtfertigen. Keine der vertraglich festgehaltenen Bedingungen zur Erleichterung des Exports von russischem Getreide und Dünger sei erfüllt worden, klagte der Kremlchef. Moskau werde die Blockade ukrainischer Häfen erst dann wieder aufheben und zum Abkommen zurückkehren, wenn alle russischen Forderungen erfüllt seien.

Russland sieht den Gipfel als Chance, um auf internationaler Bühne zu zeigen, dass es in der Weltpolitik trotz aller Sanktionen des Westens im Zuge des Ukraine-Krieges nicht isoliert ist. Schon vorab betonte Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow immer wieder, dass nicht alle Länder der Welt die Sicht des Westens auf den Krieg teilen und sie für eine multipolare Weltordnung ohne eine Vormachtstellung der USA eintreten.

Xi: »Wer aufholt, wird behindert«

»Es gibt ein Land, das seine Hegemonie aufrechterhalten will und alles getan hat, um die Schwellen- und Entwicklungsländer zu lähmen«, erklärte Chinas Präsident Xi in einer von seinem Handelsminister Wang Wentao verlesenen Erklärung, ohne die USA namentlich zu nennen. »Wer sich schnell entwickelt, wird von ihnen eingedämmt. Wer aufholt, wird behindert.«

Der brasilianische Präsident Lula betonte indes, die BRICS-Gruppe richte sich nicht gegen andere. Vielmehr gehe es um eine bessere Organisation des Globalen Südens, schrieb er am Dienstag auf der Plattform X. »Die Brics sind kein Gegenpol zu den G7, den G20 oder sonst irgendjemandem«, schrieb Lula. »Wir wollen uns als der Globale Süden organisieren. Wir sind wichtig in der globalen Debatte und sitzen gleichberechtigt mit der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten am Verhandlungstisch.«

Südafrikas Präsident Ramaphosa forderte eine »grundlegende Reform globaler Finanzinstitutionen«. Aktuell profitierten vor allem westliche Industriemächte von einem »Protektionismus«, der faires Wachstum in der Weltwirtschaft untergrabe, so Ramaphosa. Finanzinstitutionen sollten agiler auf die Herausforderungen von Entwicklungsländern reagieren können.

»Wir können die Gier des Neokolonialismus nicht akzeptieren, der unter dem Deckmantel von Schutzrichtlinien Handelsbarrieren und diskriminierende Maßnahmen verhängt«, sagte Lula. Die Brics-Staaten setzten sich daher für einen gerechteren Welthandel ein.

Das Ziel: Mehr Bedeutung

Ein wichtiger Fokus des Spitzentreffens ist die geplante Erweiterung der Fünfer-Gruppe. Sie will zu »Brics plus« werden und durch zahlreiche neue Mitglieder ein Gegengewicht zur geopolitischen und wirtschaftlichen Dominanz des Westens bilden. Auf Aufnahmekriterien müssen sich die Mitgliedstaaten noch einigen. Auch ab wann zusätzliche Länder aufgenommen werden, ist noch unklar.

Nach Angaben der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor hätten etwa 40 Staaten mehr oder weniger verbindlich Interesse an einer Brics-Mitgliedschaft bekundet, 23 davon konkret, darunter Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran und Bangladesch.

Zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine vertreten die Mitgliedstaaten unterschiedliche Positionen. Lediglich China gibt Putin volle Rückendeckung und will die Invasion Russlands in der Ukraine nicht verurteilen. Brasilien, Indien und Südafrika geben sich neutraler. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa leitet eine afrikanische Friedensinitiative für ein Ende des Ukraine-Kriegs. Jüngste Vermittlungsbemühungen der Initiative in Moskau und Kiew blieben allerdings ohne erkennbaren Erfolg.

Für Putin ist Brics der ideale Rahmen, um zu demonstrieren, dass sein Land noch Verbündete hat. »Brics plus« würde nach dieser Logik auch bedeuten: Je mehr, desto besser. Auch China gilt als treibende Kraft einer Erweiterung. Experten zufolge wolle China »Brics plus« als Bühne für politischen Aktivismus gegen die USA nutzen und sich ins Zentrum der Weltordnung rücken. Brasilien macht sich ebenfalls für die Aufnahme weiterer Länder stark.

Indien sieht »Brics plus« hingegen eher kritisch. Das Land befürchtet, dass es durch eine mögliche Aufnahme mehrerer China-freundlicher Nationen an Einfluss in der Gruppe verlieren könnte. Südafrika hofft vor allem auf verstärkte wirtschaftliche Kooperation sowie weniger Abhängigkeit vom US-Dollar als globaler Leitwährung.

© dpa-infocom, dpa:230822-99-912660/5