BERLIN. Der Bund will in den Gesprächen mit den Ländern über Ausreisesperren in Regionen mit starkem Corona-Ausbruch für zielgenauere, lokale Beschränkungen werben. Es gehe nicht mehr darum, ganze Landkreise einzuschränken.
»Schneller, kleinräumiger, präziser, das ist das, was wir heute vereinbaren wollen«, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Donnerstag im ZDF-»Morgenmagazin«. Beschränkungen solle es nur noch dort geben, wo sie unbedingt notwendig seien, etwa in Teilen eines Betriebs oder in Teilen einer Gemeinde, in denen das Coronavirus ausgebrochen sei.
Mehrere Bundesländer hatten zuvor Beschränkungen für gesamte Landkreise abgelehnt. »So etwas kann man sich im fernen Berlin oder auch München ja gerne ausdenken, aber es ist in der Fläche überhaupt nicht praktikabel«, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Gerade in großen Landkreisen mit mehreren hunderttausend Einwohnern und einer entsprechenden Größe erschließe sich ihm nicht, wie entsprechende Kontrollen umgesetzt werden könnten.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) twitterte zu dem Thema: »Wir haben große Landkreise in Sachsen. Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem wir einen gesamten Landkreis mit einer Ausreisesperre belegen.« Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sagte am Donnerstag in der RTL/ntv-Sendung »Frühstart«: Zwar sei es richtig, in betroffenen Immobilien oder Altenheimen solche Beschränkungen zu erlassen, aber »ganze Kreise zu nehmen und Menschen mit in Haftung zu nehmen und damit Freiheitsbeschränkungen vorzunehmen, das finde ich, muss überdacht werden.«
Braun sagte im ZDF, dass es nach einem Ausbruch darum gehe, mit Hilfe der Länder und der Bundeswehr so schnell wie möglich die Menschen am Corona-Hotspot zu testen. Dadurch könnten die lokalen Einschränkungen auf wenige Tage begrenzt werden. »Solche Beschränkungen sollen auch ein Stück ihres Schreckens verlieren.« Braun will am Donnerstag mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder über das Thema weiter beraten, es könnte auch ein Entschluss fallen.
Zuletzt hatten mehr als 1000 positiv getestete Mitarbeiter des Fleischverarbeiters Tönnies in Nordrhein-Westfalen zu regionalen Einschränkungen im öffentlichen Leben in den Kreisen Gütersloh und Warendorf geführt. Betroffen waren zeitweise rund 640.000 Einwohner. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die von der Landesregierung verfügten Einschränkungen allerdings nach einiger Zeit gekippt. Das zuständige Gesundheitsministerium hätte nach dem Corona-Ausbruch inzwischen eine differenziertere Regelung erlassen müssen, ein Lockdown für den ganzen Kreis sei nicht mehr verhältnismäßig, hatte das Gericht erklärt. (dpa)