BRASILIEN. In Brasilien weht nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro ein neuer Wind. Schon wenige Stunden nach seinem Amtseid am Neujahrstag hat der Rechtspopulist damit begonnen, das größte Land Lateinamerikas umzukrempeln.
Er übertrug die Verantwortung für die Schutzgebiete der indigenen und afrobrasilianischen Gemeinschaften dem Landwirtschaftsministerium.
Chefin des Ressort ist Tereza Cristina, die zuvor die Landwirtschaftsgruppe im Parlament geführt hatte. Die Agrarlobbyistin dürfte wenig Interesse am Umweltschutz haben. Wie ihr Chef Bolsonaro setzt sie auf eine intensive wirtschaftliche Nutzung.
Bereits im Wahlkampf hatte Bolsonaro angekündigt, keine weiteren Schutzgebiete auszuweisen. Indigene in ihren Schutzgebieten seien wie »Tiere im Zoo« sagte der Ex-Militär einmal. Agrarunternehmer hatten sich immer wieder beschwert, das bislang zuständige Amt für indigene Angelegenheiten (Funai) verfüge über zu viel Macht.
Der Richtungswechsel dürfte auch den internationalen Klimaschutz in Gefahr bringen, da sich die indigenen Gemeinschaften Brasiliens traditionell als »Hüter des Waldes« verstehen und Widerstand gegen die großflächige Abholzung leisten. Zudem liebäugelt Bolsonaro mit einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Dabei kommt Brasilien im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle zu, da das Amazonasgebiet als CO2-Speicher von globaler Bedeutung ist.
Auch in anderen Bereichen steht das fünftgrößte Land der Welt vor einem starken Rechtsruck. »Heute ist der Tag, an dem die Menschen beginnen, sich vom Sozialismus, vom staatlichen Gigantismus und dem politisch Korrekten zu befreien«, sagte Bolsonaro bei seiner Amtseinführung. »Wir haben jetzt die einzigartige Möglichkeit, unser Land neu aufzubauen«. Bolsonaros Anhänger feierten den Amtsantritt ihres Helden auf den Straßen und Plätzen. »Mythos, Mythos«, skandierten sie und: »Der Hauptmann ist gekommen.«
Angesichts seiner Ausfälle gegen Schwarze, Indigene und Homosexuelle und seine Faszination für die Militärdiktatur sehen mache in dem früheren Fallschirmjäger eine Gefahr für die noch junge Demokratie Brasiliens. »Der neue Präsident ist mit einem Diskurs an die Macht gekommen, der sich offen gegen die Menschenrechte und gegen die historisch ungeschützten Gruppen der Bevölkerung richtet«, schrieb die Amerika-Chefin von Amnesty International, Erika Guevara-Rosas, auf Twitter.
Lob kam von Bolsonaros Vorbild Donald Trump. »Glückwunsch an Präsident Jair Bolsonaro, der gerade eine großartige Rede zur Amtseinführung gehalten hat - die USA sind bei Ihnen!«, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Bolsonaro revanchierte sich umgehend: »Lieber Präsident Trump, ich weiß Ihre ermutigenden Worte wirklich zu schätzen. Gemeinsam und unter Gottes Schutz werden wir unseren Völkern Wohlstand und Fortschritt bringen.«
Die Ideologie des neuen Staatschefs wird als »Bala, Boi e Bíblia« (Kugel, Vieh und Bibel) beschrieben. Evangelikale Christen, nationalistische Militärs, hemdsärmelige Agrarunternehmer und die neoliberale Wirtschaftselite unterstützten seinen Wahlkampf. Welche dieser Gruppen - mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen - während Bolsonaros Amtszeit den Ton angeben wird, ist noch unklar.
»Er übernimmt Brasilien in schwierigen Zeiten«, sagt Peter Hakim vom Forschungsinstitut Inter-American Dialogue. »Er muss Koalitionen bilden, da seine Partei nur über zehn Prozent der Sitze im Parlament verfügt. Gelingt ihm das nicht, wird er Probleme haben, seine Politik umzusetzen.«
In seiner Rede kündigte Bolsonaro einen »nationalen Pakt« an, um Brasilien voranzubringen. In den kommenden vier Jahren will er die weit verbreitete Korruption bekämpfen, Kriminalität eindämmen, das Waffenrecht liberalisieren und die Wirtschaft ankurbeln. Zu seinem Kabinett gehören der prominente Korruptionsermittler Sergio Moro und der ultraliberale Wirtschaftswissenschaftler Paulo Guedes. Unter seinen Ministern sind zudem sieben Ex-Militärs.
»Korruption, Privilegien und Vorteile müssen enden. Wir werden Tag und Nacht unser Ziel verfolgen, Wohlstand und Sicherheit für unsere Bürger zu schaffen«, sagte Bolsonaro. Zum Abschluss seiner Antrittsrede machte er seinem Ruf als Kommunistenfeind noch einmal alle Ehre. Er schwenkte die brasilianische Fahne und rief: »Das ist unsere Flagge - und sie wird niemals rot sein.« (dpa)