Die Hessen-CDU leitet den lange erwarteten Personalwechsel an ihrer Spitze ein: Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) soll neuer Ministerpräsident und damit Nachfolger von Volker Bouffier (CDU) werden.
Der 50 Jahre alte Rhein soll außerdem das Amt des CDU-Landesvorsitzenden von ihm übernehmen. Das sagte Bouffier am Freitag in Fulda. Bei einem Treffen von Spitzenvertretern der CDU sei sein Personalvorschlag einstimmig in offener Abstimmung angenommen worden.
Der 70-Jährige hatte zuvor seinen Rücktritt vom Amt des Regierungschefs für 31. Mai angekündigt. Dann soll Rhein vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Der CDU-Landesparteitag mit der Neuwahl des Vorstandes ist für Anfang Juli in Rotenburg an der Fulda geplant.
Es sei ein Wechsel in »Übereinstimmung und Freundschaft«, sagte Rhein. Es sei kein Bruch, sondern eine Stabübergabe. Rhein kündigte an, mehr Menschen politisch miteinbeziehen zu wollen. »Wir werden aus der Partei eine Bürger- und Mitmachpartei formen.« Die CDU müsse jünger, bunter und weiblicher werden. Rhein war zwischen 2014 und 2019 Minister für Wissenschaft und Kunst, davor war er vier Jahre Innenminister.
Die nächste Landtagswahl in Hessen ist im Herbst 2023 geplant. Mit einem Kandidaten, der amtierender Regierungschef ist, könnten sich die Christdemokraten womöglich Vorteile im Wahlkampf erhoffen. Derzeit regiert die CDU zusammen mit den Grünen. Da die Koalition im Landtag nur über die hauchdünne Mehrheit von einem Mandat verfügt, ist die CDU mit ihrem Kandidaten Rhein auf die uneingeschränkte Zustimmung des kleinen Koalitionspartners angewiesen.
Rhein sprach am Freitag von einem engen und vertrauensvollen Verhältnis zu den Grünen. Er erinnerte daran, dass er in seiner Zeit in der Frankfurter Kommunalpolitik bereits Koalitionsverträge mit den Grünen abgeschlossen habe. Man vertraue und schätze sich seit vielen Jahren.
Von den Landtags-Grünen kamen am Freitag bereits erste positive Signale. »Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen wurde für die gesamte Legislaturperiode geschlossen und gilt«, erklärte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner in Wiesbaden. Rhein habe sich als Landtagspräsident in den vergangenen Jahren »den Respekt unserer Fraktion wie auch des gesamten Landtags erworben«. Er habe gezeigt, dass er auch in schwierigen Situationen den richtigen Ton treffe und unterschiedliche Interessen zusammenführen könne.
Nach dem Wechsel der früheren SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Nancy Faeser in die Bundespolitik ist der Rückzug von Bouffier die zweite große personelle Veränderung in der hessischen Landespolitik innerhalb kurzer Zeit.
Grünen-Fraktionschef Wagner sagte, der Ausgang der Landtagswahl im Herbst 2023 sei »völlig offen«. »Die politischen Karten in Hessen werden bei der Landtagswahl 2023 neu gemischt. Alles ist möglich – auch ein Dreikampf um die Staatskanzlei.«
Bouffier führt seit fast zwölf Jahren als Regierungschef die Landesregierung in Hessen an. Auch Kultusminister Alexander Lorz hatte zuvor Interesse an seiner Nachfolge angemeldet, er kommt nun aber nicht zum Zug. Innenminister Peter Beuth, Finanzminister Michael Boddenberg und die CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Ines Claus waren ebenfalls als mögliche Nachfolger für Bouffier gehandelt worden.
»Natürlich ist dies für mich auch keine einfache Entscheidung«, sagte der Noch-Ministerpräsident über seinen Rückzug. Es sei aber gerade nach so langer Amtszeit notwendig, für sich selbst und auch gegenüber der Öffentlichkeit Klarheit zu schaffen. »Ich halte den jetzigen Zeitpunkt für richtig«, betonte er. CDU und Grüne bildeten eine stabile Koalition. Er sei überzeugt, dass diese auch ohne ihn erfolgreich fortgeführt werde, sagte Bouffier.
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