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Bielefeld-Hainan: Hochschulgründung in China in der Kritik

Die Hochschule Bielefeld gründet einen Ableger in China - der Lehrbetrieb auf der Insel Hainan läuft bald mit zunächst kleiner Studierendenzahl an. Die Wissenschaftsministerin sieht das Projekt kritisch.

Hochschule Bielefeld
Blick auf den Eingang zur Hochschule Bielefeld (HSBI). Foto: Friso Gentsch/DPA
Blick auf den Eingang zur Hochschule Bielefeld (HSBI).
Foto: Friso Gentsch/DPA

Von der Hochschule Bielefeld als Premiere und »Paukenschlag« angekündigt - und nun in die Kritik geraten: Als erste ausländische Institution überhaupt werde man eine eigenständige Hochschule in der Volksrepublik China gründen, teilte die Einrichtung in Ostwestfalen-Lippe vor wenigen Wochen mit.

Die neue Hochschule namens Hainan Bielefeld University of Applied Sciences (BiUH) stößt allerdings im Bundesforschungsministerium auf Skepsis.

Zunächst 140 Studierende aus zwölf Provinzen

Laut Bielefelder Hochschule - die frühere Fachhochschule hatte sich im April 2023 umbenannt in »Hochschule Bielefeld – University of Applied Sciences and Arts (HSBI)« - sollen auf der Insel Hainan langfristig bis zu 12.000 Studierende ihre Bachelor- und Masterstudien absolvieren.

Der Lehrbetrieb beginne in diesem Wintersemester mit zunächst 140 Studierenden aus zwölf chinesischen Provinzen auf einem Übergangscampus - in den Studiengängen Computer Science und Digital Technologies. Elektrotechnik, Maschinenbau, Mechatronik oder Wirtschaftsingenieurwesen würden folgen. 2025 sollen erste Studierende von Hainan nach Deutschland kommen und umgekehrt.

Laut HSBI gilt im Norden der Insel mit vielen internationalen Investoren ein besonderer rechtlicher Status: Hochschulen aus dem Ausland könnten dort unabhängige Bildungseinrichtungen für Ingenieurwissenschaften, Landwirtschaft und Medizin errichten. Im Gegensatz dazu seien in allen anderen chinesischen Provinzen ausländische Hochschulprogramme nur »in Kooperation und unter Federführung chinesischer Hochschulen« möglich.

Verweis auf China-Strategie

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) zeigte sich skeptisch. »China wird gerade in Wissenschaft und Forschung immer mehr zum Wettbewerber und systemischen Rivalen«, sagte eine Ministeriumssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Die Rahmenbedingungen für Wissenschaftskooperationen würden dadurch schwieriger, wie das BMBF gerade erst im Juni bei deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin thematisiert habe.

Zentral seien Wissenschaftsfreiheit, friedliche Nutzung gemeinsam erzielter Forschungsergebnisse und Rechtssicherheit bei Wissenschaftskooperationen. Das spiegele sich auch in der China-Strategie der Bundesregierung wider. »Vor diesem Hintergrund sieht das BMBF das Projekt der Hochschule Bielefeld kritisch.«

Das digitale Medienhaus Table.Media hatte kürzlich berichtet, Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) distanziere sich von dem China-Investment. Ihr Ministerium finanziere die Hochschulgründung über das Förderprogramm »Transnationale Bildung« aber mit.

Das Ministerium betonte, es liege in der Verantwortung der Hochschule Bielefeld, dass die Wissenschaftsfreiheit geachtet und Missbrauch-Risiken minimiert würden. In der vom Bundeskabinett jüngst beschlossenen China-Strategie gilt der Grundsatz, dass die Volksrepublik zwar Partner, aber auch Wettbewerber und systemischer Rivale ist. Die Bundesregierung wirft Peking vor, Menschenrechte in schwerwiegender Weise zu verletzen und mit ihrer Machtpolitik im Indopazifik das Völkerrecht auszuhebeln.

Hochschule nach deutschem Vorbild

Hochschulpräsidentin Ingeborg Schramm-Wölk wies auf eine Vereinbarung hin, nach der die BiUH eine Hochschuleinrichtung mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit sei. Ziel sei es, gemeinsam eine Hochschule nach deutschem Vorbild aufzubauen. Die akademische Freiheit werde garantiert, alle akademischen Aktivitäten wie Lehre und Forschung dienten friedlichen Zwecken, betonte sie auf dpa-Anfrage. Die Gefahr einer Abhängigkeit durch hohe chinesische Subventionen für Bau und Betrieb sehe sie nicht. Die Bielefelder Hochschule stelle den Präsidenten der BiUH in Hainan und man plane, in allen wichtigen Gremien mit Mehrheit vertreten zu sein.

Auch nach Einschätzung von Jürgen Kretschmann, Präsident der BiUH, ist das Projekt von der China-Strategie gedeckt, wie er der dpa sagte. Die erste Bauphase des eigentlichen Campus soll zum Wintersemester 2025/26 abgeschlossen sein. Geplant ist, dass etwa die Häfte des Studiums an der Hochschule, die andere bei einem der kooperierenden Unternehmen absolviert wird.

Ein Sprecher des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) sagte im Bericht von Table.Media, das Projekt sei bereits Ende 2020 von einer wissenschaftlichen Kommission für das Programm »Transnationale Bildung« empfohlen worden. Diese Förderempfehlung sei bindend. Die HSBI entwickle das Ganze als »autonom agierende, nordrhein-westfälische Landeshochschule und in wissenschaftlicher Eigenständigkeit«. Aus dem Ministerium hieß es, der DAAD fördere die Gründung aus BMBF-Mitteln mit rund 1,9 Millionen Euro von 2021 bis 2024. Das Geld werde überwiegend in Deutschland zum inhaltlichen und administrativen Aufbau der Hochschule ausgegeben.

© dpa-infocom, dpa:230806-99-724822/7