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Biden tourt durch Pennsylvania - Demokraten beraten sich

Plausch, Selfies, Limonade: US-Präsident Biden macht im »Swing State« Pennsylvania betont persönlichen Wahlkampf. Besorgte Mitglieder seiner Partei schalten sich derweil für Beratungen zusammen.

US-Präsident Biden
Biden steht seit seinem desatrösen TV-Duell gegen Trump unter großem politischen Druck. Foto: Manuel Balce Ceneta/DPA
Biden steht seit seinem desatrösen TV-Duell gegen Trump unter großem politischen Druck.
Foto: Manuel Balce Ceneta/DPA

Ungeachtet der Debatte um seine körperliche Fitness für eine zweite Amtszeit hat US-Präsident Joe Biden eine Reihe von Wahlkampfauftritten im Bundesstaat Pennsylvania absolviert. Der 81-jährige Demokrat sprach zunächst in einer historisch vor allem von Schwarzen besuchten Kirche in Philadelphia. In derselben Stadt legte er danach einen überraschenden Zwischenstopp bei Wahlkampfhelfern ein, bevor er schließlich im weiter westlich gelegenen Harrisburg lange mit Anhängern sprach, für Selfies posierte und Limonade trank. Auf dem Rückweg zum Flughafen besuchte er noch ein Café. 

Biden schien damit dem Narrativ der vergangenen Woche entgegenwirken zu wollen, er sei dem Wahlkampf körperlich nicht mehr gewachsen. Während er durch Pennsylvania tingelte, kamen demokratische Abgeordnete aus dem Repräsentantenhaus bei einer außerordentlichen Schalte zusammen. Der Minderheitsführer der Parlamentskammer, Hakeem Jeffries, hatte das Treffen anberaumt. US-Medien berichteten danach unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen, mehrere hochrangige Parteivertreter seien überzeugt, Biden müsse aus dem Rennen um das Weiße Haus aussteigen.

In der fast zweistündigen Schalte habe es allgemeine Zustimmung dafür gegeben, dass stattdessen Vizepräsidentin Kamala Harris nominiert werden solle, berichtete der US-Sender CNN mit Verweis auf eine bei dem Gespräch beteiligte Quelle. 

Interne Spannungen bei den Demokraten

Sollten diese Vertreter ihre Überzeugung, dass Biden weichen sollte, öffentlich machen, würden sie sich fünf Abgeordneten anschließen, die diesen Schritt bereits gegangen sind. Zwei weitere Abgeordnete haben ihre Einschätzung publik gemacht, dass Biden bei der Präsidentenwahl im November nicht gegen seinen republikanischen Herausforderer Donald Trump gewinnen kann. Andere demokratische Kongressmitglieder äußerten sich bislang nicht ganz so drastisch, drückten aber Besorgnis aus. 

Bei den Demokraten geht die Befürchtung um, dass Bidens Lage sich auf das eigene Mandat auswirken könnte - bei der US-Wahl im November stehen neben dem Präsidentenamt auch alle Sitze im Repräsentantenhaus zur Abstimmung sowie ein Drittel aller Sitze im Senat. Im Zuge der heute beginnenden Sitzungswoche im US-Parlament wird vor allem deshalb mit weiteren Abweichlern gerechnet. Ein Treffen demokratischer Senatorinnen und Senatoren, das laut US-Medien für heute angepeilt war, findet einem Bericht von »Axios« zufolge allerdings doch nicht statt.

»Das kann keine Woche sein, in der alles wie gewohnt läuft«, sagte Senator Chris Murphy im Sender CNN. Biden müsse der amerikanischen Öffentlichkeit beweisen, dass er immer noch derjenige sei, »den so viele von uns kennen und lieben«. Murphy betonte, er glaube, dass Biden es schaffen könne, sagte aber auch: »Die Uhr tickt.«

Ähnlich äußerte sich Adam Schiff bei NBC. Besonders besorgniserregend fand der demokratische Abgeordnete Bidens Aussage in einem viel beachteten TV-Interview am Freitag (Ortszeit), dass es letztlich darum gehe, ob er als Kandidat »sein Bestes gegeben« habe - auch, wenn er die Wahl nicht gewinnen sollte. Schiff widersprach energisch: »Es geht nicht nur darum, ob er sein Bestes gegeben hat, sondern vielmehr, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat, zu kandidieren.« Es gehe darum, »ob dieses Land eine Demokratie bleibt, oder ob wir in eine Art Pseudodiktatur abdriften«, sagte Schiff.

Sanders stellt sich hinter Biden

Anders bewertet wurde die Lage von Bernie Sanders. »Präsident Biden kann Donald Trump, den gefährlichsten Präsidenten in der Geschichte dieses Landes, eindeutig besiegen«, konstatierte der parteilose Senator beim Sender CBS. Biden sei alt und könne sich nicht mehr so elegant ausdrücken, räumte Sanders ein. »Ich wünschte, er könnte die Stufen der Air Force One hinaufspringen - das kann er nicht.« Im Zentrum der Debatte müsse nun aber stehen, wessen Politik der großen Mehrheit des Landes zugutekäme.

In Pennsylvania - ein »Swing State«, der weder Demokraten noch Republikanern fest zugerechnet werden kann - präsentierte Biden sich Seite an Seite mit politischen Verbündeten aus dem Bundesstaat und adressierte unter anderem selbstironisch sein hohes Alter. 

»Ich weiß, ich sehe aus, als ob ich erst 40 Jahre alt bin«, witzelte er in der Kirche in Philadelphia vor einer jubelnden Gemeinde. »Aber ich bin schon eine ganze Weile dabei und offen gestanden nie optimistischer über Amerikas Zukunft gewesen.« Dafür müssten aber alle gemeinsam anpacken, so Biden. Seine Rede las er mit kraftvoller Stimme von einem Manuskript ab. Bei den darauffolgenden Auftritten sprach er ohne Notizen oder Teleprompter - die Forderung danach hatten besorgte Parteikollegen zuvor mehrfach gestellt. 

Gastgeber beim Nato-Gipfel

Seit seinem desaströsen Auftritt beim ersten TV-Duell gegen Trump kämpft Biden an allen Fronten. Ein TV-Interview Bidens am Freitag (Ortszeit) heizte Zweifel über seine Eignung teils eher an, als sie zu zerstreuen. Er sagte dabei unter anderem, nur Gott könne ihn zum Rückzug bewegen, lehnte einen ärztlichen Test zu seiner geistigen Fitness ab und stellte schlechte Umfragewerte infrage.

Das Weiße Haus hat derweil bereits weitere Termine Bidens für Mitte Juli angekündigt. In dieser Woche richtet der US-Präsident als Gastgeber den Nato-Gipfel in der Hauptstadt Washington aus. Wie er sich dort schlägt, dürfte engmaschig beobachtet werden.

© dpa-infocom, dpa:240708-930-166968/2