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Beziehung leicht abgekühlt: Macron besucht Merkel

Die Zeit drängt. Bis Ende Juni wollen Frankreich und Deutschland gemeinsame Vorschläge für die Zukunft der EU auf den Tisch legen. Während der eine aufs Tempo drückt, bremst die andere. Oder trügt dieser Eindruck?

BERLIN/PARIS. Fast ein Dutzend mal haben sie sich getroffen seit dem September 2017, als der junge französische Präsident seine Reformrede in der Sorbone hielt - und für die deutsche Kanzlerin die Mühen der Regierungsbildung begannen.

Von Aufbruch in Europa war die Rede, und von einem »Schub« auch für die deutsche Politik. Jetzt macht sich Ernüchterung breit, denn viel ist nicht passiert seitdem. Heute kommt Emmanuel Macron nach Berlin, und es wird sich zeigen, wie viel noch geht zwischen Deutschland und Frankreich.

Dass Angela Merkel ihren Gast diesmal auf der Großbaustelle des Humboldt-Forums im unfertigen Berliner Stadtschloss empfängt, steht fast symbolisch für die vielen ungelösten Fragen. »Ich bin nicht bange«, sagt Merkel zu den Chancen, vor dem Juni-Gipfel der EU echte Ergebnisse zu erreichen. Dabei sind manche Themen schwieriger als andere. Darum geht es vor allem:

- Eurozonen-Haushalt/Finanzminister/EWF

Macron pocht auf mehr Solidarität innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion - das hat er auch in seiner Rede im EU-Parlament in Straßburg am Dienstag noch einmal unterstrichen. Der Präsident will insbesondere einen Haushalt für die Eurozone, der gemeinsame Investitionen finanzieren soll und die Währungsunion gegen wirtschaftliche Schocks absichert. Der von ihm verwendete Begriff einer »budgetären Kapazität« lässt allerdings Spielraum für Verhandlungen. Macron hatte auch einen europäischen Finanzminister gefordert - davon war aber zuletzt nicht mehr groß die Rede.

Merkel und größere Teile der Union treten etwa bei einem eigenen Eurozonen-Haushalt auf die Bremse. Zunächst müssten die Probleme des EU-Gesamthaushalts gelöst werden, die etwa mit dem Wegfall der britischen Beiträge nach dem Brexit anstehen.

Die Umwandlung des Rettungsschirms ESM in einen Europäischen Währungsfonds war kein Teil von Macrons Vorschlägen, auch wenn Frankreich in Brüssel hier grundsätzlich positiv auftritt. Eigentlich ist das Konzept ein Erbe des früheren deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Der wollte damit aber eher der EU-Kommission Kompetenzen wegnehmen und den Mitgliedsländern übertragen. Vor allem Merkels Union wehrt sich nun dagegen, dass der künftige EWF an den nationalen Parlamenten vorbei agieren könnte. Zudem seien dafür Änderungen der EU-Verträge und die Zustimmung des Bundestages notwendig - mit dem Risiko einer Abstimmungsniederlage für Merkel.

- Bankenunion und Einlagensicherung

Die Vollendung der Bankenunion ist für Paris einer der ersten Schritte zur Reform der Währungsunion - und Macron drückt aufs Tempo. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire appellierte Anfang des Monats an seine europäischen Kollegen, sich nicht von »trügerischen technischen Vorwänden« aufhalten zulassen. Das könnte man auch auf Deutschland beziehen.

Auch die Kanzlerin hat - zuletzt am Dienstag - die Priorität der Bankenunion bekräftigt. Dazu gehört aber auch die umstrittene Einlagensicherung. Vorher müssten die Risiken von Problembanken minimiert werden, darauf pocht Merkel. Die Frage ist also: Wie viele faule Kredite in den Bankbilanzen etwa in Italien müssten abgebaut werden, bevor die Einlagensicherung kommen kann?

- Besteuerung von Google etc.

Frankreich macht Druck bei der Besteuerung von Internet-Giganten in Europa. Man könne nicht akzeptieren, dass Digitalunternehmen keine Steuern zahlten, aber dann in Konkurrenz zu traditionellen Unternehmen träten, die dies tun. Insgesamt will Macron, dass die Sozial- und Steuersysteme in Europa näher zusammenrücken, unter anderem hat er einen einheitlichen Mindestsatz für Unternehmensteuern vorgeschlagen.

Hier sind Macron und Merkel dicht beieinander, allerdings ist hier Einstimmigkeit der EU-Länder erforderlich. Also müsste auch Irland mitmachen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es immerhin: »Wir unterstützen eine gerechte Besteuerung großer Konzerne wie Google, Apple Facebook und Amazon.« Unternehmen sollten künftig die Staaten der EU nicht mehr gegeneinander ausspielen können.

- Asylpolitik und Flüchtlinge

Macron forderte in seiner Sorbonne-Rede ein europäisches Asylamt, um die Asylverfahren in Europa anzugleichen und zu beschleunigen. Er schlägt zudem direkte europäische Finanzhilfen für Kommunen vor, die Flüchtlinge aufnehmen. Er hofft, so den ewigen Streit um eine Quotenregelung zur Umverteilung von Flüchtlingen zu überwinden.

Damit kommt der Franzose Berlin durchaus entgegen. Auch für Merkel hat ein gemeinsames europäisches Asylsystem Priorität. Dazu will sie eine wirksamere Sicherung der Außengrenzen durchsetzen. Aber auch wenn sich Paris und Berlin da durchaus einig sind, gibt es in anderen EU-Ländern erheblichen Widerstand.

- Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik

In der Verteidigungspolitik hat Macron ein spezielles Budget, eine Interventionstruppe und die Entwicklung einer gemeinsamen Einsatzdoktrin vorgeschlagen, um die EU schlagkräftiger zu machen. Paris und Berlin sind da dicht beieinander. Auch im Koalitionsvertrag heißt es, notwendig sei eine »kraftvolle gemeinsame Außen-, Sicherheits, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik, die weit intensiver als bisher mit einer Stimme spricht und mit gut ausgestatteten und aufeinander abgestimmten zivilen und militärischen Instrumenten arbeitet.«

- Finanzplanung nach dem Brexit

Macron hat sich bereit gezeigt, Frankreichs Beitrag zum EU-Haushalt zu erhöhen - sofern dessen Finanzierungsmix verändert wird. Zum Beispiel brauche die EU mehr Eigenmittel, die ihr ohne den Umweg über nationale Haushalte zugute kommen. Als Beispiel nannte Macron Steuern auf bestimmte Energiequellen.

Auch Deutschland hat zugesagt, die EU finanziell zu stärken. Hier dürfte es in der EU noch viel Streit über die Prioritäten geben - in CDU und CSU wird darauf gepocht, dass Geld etwa vor allem in Zukunftsprojekte, die Sicherung der EU-Außengrenzen investiert wird.

Wie mit einer Erhöhung der Beiträge der Wegfall der britischen Zahlungen nach dem Brexit - die Lücke wird auf 12 bis zu 14 Milliarden Euro geschätzt - kompensiert werden soll, ist unklar. Kürzungen bei der Agrar- und Strukturpolitik sind wohl unvermeidlich. Gerade die Landwirtschaft ist für Frankreich ein sensibler Bereich - aber ganz gewiss auch für deutsche Regionen wie Bayern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat für Anfang Mai schon seinen Besuch in Brüssel angekündigt. (dpa)

Kernthesen von Macrons Europa-Initiative