Nordrhein-Westfalen und Hessen feiern einen Bewerberrekord nach dem anderen, in Bayern gibt es sieben Kandidaten für eine Stelle in Uniform und auch Baden-Württemberg schöpft nach eigenen Angaben aus den Vollen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den Bundesländern.
Die hohe Quote klingt zwar gut, sie ist aber auch nötig, weil in allen Bundesländern die Zahl der Abbrecher in der Ausbildung hoch ist. Viele Kandidaten überlegen es sich vor allem im ersten Jahr noch mal und steigen aus. Oder sie fallen bereits durch den Sporttest - sofern es überhaupt einen gibt und nicht schon das Deutsche Sportabzeichen ausreicht. Die Gewerkschaft warnt bereits vor Lücken in den Planungen und fordert die Landesregierungen auf, nachzusteuern.
In NRW und zum Beispiel auch in Sachsen falle mehr als jeder Zehnte in der Ausbildung durch, etliche davon im ersten Jahr, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert. Auch in Brandenburg gibt es nach Angaben des Potsdamer Innenministeriums zwar ausreichend Bewerber, allerdings erfüllten nicht alle die Hürden, eine Reihe Kandidaten springe auch ab. Deshalb wurden auch schon ehemalige Feldjäger eingestellt, weil der Nachwuchs knapp wurde.
Es sei wichtig, stets die Zahl der durchgefallenen Kandidaten aus dem ersten Ausbildungsjahr im Folgejahrgang zu ergänzen, fordert die GdP. »Wir wollen, dass am Ende auch die Zahl neuer Polizisten rauskommt, die angestrebt wurde«, sagte Plickert. Mehrkosten entstünden nicht, weil die Ausgaben für die ergänzten Kandidaten im Haushalt bereits eingeplant seien.
Beispiel NRW: Hier haben sich rund 11.200 junge Männer und Frauen für den Polizeidienst beworben. »Das ist ein Bewerberrekord«, sagt Victor Ocansey vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW-Polizei (LAFP) in Selm. Es gebe derzeit keine Anzeichen dafür, dass das Interesse an einer Ausbildung in Uniform abnehme. Seit 2014 sei die Zahl der Bewerbungen für die Polizei gestiegen, sagt Ocansey.
Auch in Hessen ist der Bewerberansturm ungebrochen. Um im Februar 2018 eingestellt zu werden, hätten sich 3471 junge Menschen gemeldet - 700 mehr als noch zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, teilt das Innenministerium in Wiesbaden mit. Berlin hat seine Ausbildungszahlen im Vergleich zu 2008 verdreifacht - aus gutem Grund.
Denn der oft auch geplante Boom kommt für die Länderpolizei rechtzeitig. Obwohl die starken Jahrgänge ihre Uniformen bald ablegen und in Pension gehen, wollen viele Landesregierungen die Mannschaftsstärken ihrer Polizei schrittweise erhöhen.
Jahr für Jahr will zum Beispiel die nordrhein-westfälische CDU/FDP-Landesregierung bis 2022 rund 2300 Polizisten einstellen. Die Berliner Polizei soll 800 zusätzliche Stellen bis Ende 2019 bekommen und dann nach zeitweisem Rückgang wieder mit 18.000 Polizisten auf der Straße unterwegs sein. Die Stadt sei gewachsen, es hätten sich viele Überstunden angehäuft, der Krankenstand sei hoch und die Hauptstadt-Polizei kämpfe mit Überalterung, begründet das Innensenator Andreas Geisel (SPD). Der Personalaufbau gleiche deswegen einer »Aufholjagd«.
Auch Hamburgs Polizei soll größer werden. Allerdings steht dem geplanten Ausbau um rund 2500 junge Beamte in den kommenden fünf Jahren eine drastisch gesunkene Bewerberzahl entgegen. Sie ging nach Angaben des Senats von einer Quote von 1:17,6 im Jahr 2016 auf 1:9,8 im vergangenen Jahr zurück. Das Erreichen ausreichender Bewerberzahlen werde in den nächsten Jahren eine wachsende Herausforderung werden, heißt es im Senat.
Das erfolgreiche nordrhein-westfälische Rezept erklärt sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) aus einem Mix aus länderübergreifender Werbung, weitgehender Jobgarantie und guter Bezahlung. »Wegen des finanziellen Anreizes bewerben sich auch etliche Kandidaten aus anderen Bundesländern«, sagt GdP-Vorstandsmitglied Plickert.
Denn nach einer Ausbildung verdient ein Polizist in Ostdeutschland keineswegs so viel wie ein Beamter in Bayern oder NRW. Für Personal und Besoldung seien die Länder selbst verantwortlich - und sie entschieden oft nach Kassenlage, kritisiert die Gewerkschaft. »Im Laufe der vergangenen Jahre hat ein Polizist in NRW auf diesem Weg plötzlich 15 Prozent mehr auf dem Gehaltszettel als ein Polizist in Mecklenburg-Vorpommern.« Das wirke sich direkt auf die Attraktivität einer Ausbildung in einem bestimmten Bundesland aus. Notwendig sei es deshalb, die noch föderal organisierten Polizisten bundesweit einheitlich oder zumindest vergleichbar zu besolden. (dpa)