Bei den andauernden regimekritischen Protesten im Iran sind Medienberichten zufolge 41 Menschen getötet worden. Das meldete der iranische Staatssender IRIB am Sonntag, eine offizielle Bestätigung lag aber nicht vor. Die Proteste, die durch den Tod einer jungen Frau ausgelöst worden waren, gingen demnach auch in der Nacht weiter. In den sozialen Medien wurden Videos geteilt, die Proteste in der Hauptstadt Teheran und anderen Teilen des Landes zeigten. Die Aufnahmen konnten nicht verifiziert werden.
Laut Augenzeugen in Teheran nimmt unterdessen die Gewaltbereitschaft sowohl vonseiten der Sicherheitskräfte als auch unter den Demonstranten stark zu. Sicherheitskräfte würden immer aggressiver und es seien vermehrt Schüsse zu hören, hieß es. Unter den Demonstranten gingen vor allem jüngere aggressiv vor. Sie zerstörten öffentliche Einrichtungen, setzten Autos und Mülleimer in Brand und verprügelten Polizisten. Slogans gegen die islamische Führung würden zudem radikaler: Neben »Tod dem Diktator« skandierten die Demonstranten auch »Das ist das Jahr des Blutvergießens!« und: »Lieber sterben wir als weiterhin Erniedrigung zu ertragen!«.
Auslöser der Proteste ist der Tod der 22 Jahre alten Mahsa Amini. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus starb. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück.
Gegendemonstrationen zu regimekritischen Protesten
In der iranischen Hauptstadt Teheran und mehreren anderen Städten fanden Medienberichten zufolge Gegendemonstrationen zu den systemkritischen Protesten der letzten Tage statt. An den Versammlungen hätten am Sonntag Tausende Menschen teilgenommen, um die andauernden Proteste von Regimekritikern zu verurteilen, berichteten Staatsmedien. Neben den üblichen Slogans »Tod Amerika!« und »Tod Israel!« skandierten die Menschen auch: »Wir folgen dem System und den islamischen Führern!«. Sie äußerten zudem Drohungen gegen Regimegegner.
Die Teilnehmer protestierten den Berichten zufolge auch gegen den angeblichen Umgang einiger Demonstranten mit dem Koran. Die iranische Führung wirft diesen vor, mehrere Kopien des Korans verbrannt zu haben. Das wird im Iran als Gotteslästerung und somit als schwere Straftat eingestuft, auf die die Todesstrafe steht.
Kritiker werfen der Regierung immer wieder vor, bei Protesten Gegendemonstrationen zu inszenieren, um die Solidarität der Mehrheit der Menschen mit dem System herauszustellen. Unterdessen lösten unbestätigte Berichte Besorgnis aus, wonach die iranische Regierung auch Hisbollah-Milizen aus dem Libanon zur Niederschlagung der Proteste einsetzen wolle.
Die Europäische Union verurteilte die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen. »Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ist der weit verbreitete und unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen gewaltlose Demonstranten nicht zu rechtfertigen und nicht hinnehmbar«, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntag im Namen der 27 Mitgliedstaaten.
Zugleich drohte die EU vage mit möglichen Sanktionen gegen den Iran. Die EU werde vor dem nächsten Außenministertreffen »alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen prüfen, um auf die Ermordung von Mahsa Amini und die Art und Weise, wie die iranischen Sicherheitskräfte auf die anschließenden Demonstrationen reagiert haben, zu reagieren«, hieß es. Die Menschen hätten das Recht auf friedlichen Protest. Man erwarte, dass der Iran die gewaltsame Niederschlagung der Proteste unverzüglich einstelle. Auch der Zugang zum Internet müsse gewährleistet werden.
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