Brüssel (dpa) - Fünf Monate nach dem Bruch der Mitte-Rechts-Regierung wählen die Belgier am Sonntag ein neues Parlament. Gut acht Millionen Wahlberechtigte sind zeitgleich zur Europawahl dazu aufgerufen, 150 Mitglieder der Abgeordnetenkammer in Brüssel zu bestimmen.
Auch die Regionalparlamente in Flandern, der Wallonie sowie der Hauptstadtregion Brüssel sowie das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft werden neu gewählt. In Belgien besteht Wahlpflicht.
Seit Dezember sind der liberale Premierminister Charles Michel (MR) und seine Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Die nationalistische N-VA aus dem flämischsprachigen Norden des Landes hatte ihre Ablehnung des UN-Migrationspakts zuvor zum Anlass genommen, die Koalition platzen zu lassen. Die Partei hatte nicht akzeptieren wollen, dass Belgien den Pakt unterstützt.
Nachdem Sozialdemokraten und Grüne einen Misstrauensantrag gegen Michel angekündigt hatten, reichte der Premier sein Rücktrittsgesuch beim König ein. Dieser nahm das Gesuch zwar an - beauftragte Michel aber zugleich damit, bis zur regulären Wahl im Mai geschäftsführend im Amt zu bleiben. Seitdem besteht die Regierung aus den flämischen Christdemokraten CD&V sowie den flämischen und den wallonischen Liberalen Open-VLD und MR. Premier Michel würde gerne im Amt bleiben. Im Wahlkampf hatte er betont, mehr Jobs schaffen zu wollen. Zudem stellte den Klimawandel in den Vordergrund.
Regierungsbildungen sind in Belgien kompliziert. Stärkste Kraft dürfte Umfragen zufolge erneut die N-VA aus Flandern werden. Für diesen Fall hatte die Partei bereits angekündgt, Anspruch auf das Amt des Regierungschefs zu erheben. Die Nationalisten hatten im Wahlkampf allerdings nicht für einen Separatismus getrommelt, sondern für einen »Konföderalismus«, bei dem Flandern und die Wallonie Entscheidungen selbst treffen, im beiderseitigen Interesse bei manchen Fragen jedoch auch gemeinsam handeln können. Um die N-VA in der Regierung zu verhindern, wird wohl ein breites Bündnis anderer Parteien nötig.
Große Gewinner der Wahlen dürften die grünen Parteien werden. Sie gewinnen im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren voraussichtlich stark hinzu und könnten ihr Ergebnisse in der Wallonie laut Umfrage auf rund 19 Prozent mehr als verdoppeln. In Flandern sind außerdem die Rechtsextremen vom Vlaams Belang zurück. Sie kamen zuletzt auf rund 15 Prozent (2014: 5,8 Prozent). Die belgischen Erhebungen sind in der Regel ziemlich unpräzise, zeigen aber zumindest einen Trend auf.
Nach den Wahlen vom Sommer 2010 hatte es in Belgien 541 Tage gedauert, bis die Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen beider Sprachgruppen sich auf eine Koalition einigten, um ohne die N-VA eine Regierung bilden zu können. 2014 stand die Koalition nach gut vier Monaten.