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Baerbock: Putin für »Urverbrechen« zur Rechenschaft ziehen

Außenministerin Baerbock klagt eindringlich die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine als Mittel im russischen Angriffskrieg an. Deutschland habe eine besondere Verantwortung.

Außenministerin Annalena Baerbock
Außenministerin Annalena Baerbock hält sich in New York zum Festakt zum 25. Jahrestag des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und zur Sitzung des UN-Sicherheitsts auf. Foto: Michael Kappeler/DPA
Außenministerin Annalena Baerbock hält sich in New York zum Festakt zum 25. Jahrestag des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und zur Sitzung des UN-Sicherheitsts auf.
Foto: Michael Kappeler/DPA

Außenministerin Annalena Baerbock hat verlangt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für das »Urverbrechen« eines Angriffskriegs gegen die Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Putin mache selbst vor den schwächsten Menschen, »den Kindern, nicht Halt«, sondern beziehe sie auf brutale Art in seinen Vernichtungskrieg ein, sagte die Grünen-Politikerin in New York bei einem Festakt zum 25. Jahrestag des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).

Putin lasse bewusst Kinder verschleppen und ihrer Identität berauben, damit es deren Eltern möglichst schwerfalle, sie zurückzuholen, klagte Baerbock an. Deswegen sei es für sie gerade am 25. Jahrestag des IStGH »so wichtig, dass wir klar benennen, dass wir eine Lücke im internationalen Recht haben«.

Ausgerechnet »bei dem Urverbrechen, dem Angriffskrieg«, weise das Völkerstrafrecht eine Lücke auf, in dem die Staats- und Regierungschefs, die Angriffskriege führten, nicht alle angeklagt werden könnten. Der Festakt sei »auch ein Auftrag, das Völkerstrafrecht weiterzuentwickeln. Denn niemand darf im 21. Jahrhundert einen Angriffskrieg führen und dabei straflos bleiben.«

Baerbock: Nichts zu tun, wäre falsch

Angesichts aktuell fehlender Mehrheiten für eine Reform des Römischen Statuts als rechtliche Grundlage für den IStGH sagte Baerbock: »Wir haben die Verantwortung, unsere Kräfte zu bündeln und Wege zu finden, um die Lücke bei der Rechenschaftspflicht für das Urverbrechen (...) zu schließen.« Sie ergänzte: »Wenn wir nicht darauf reagieren, ist die Antwort der internationalen Gemeinschaft auf die Aggression Russlands Straflosigkeit.«

Außenministerin: »Deutschland hat eine besondere Verantwortung«

Ausführlich ging Baerbock auf die Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg ein. »Mein Land, Deutschland, hat unmenschliche Angriffskriege geführt und den grausamsten Völkermord begangen, bei dem Millionen Menschen getötet wurden«, sagte sie. »Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung, unseren Teil dazu beizutragen, dass solche Verbrechen nie wieder passieren.«

Der Internationale Strafgerichtshof hatte im März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa erlassen. Sie seien mutmaßlich verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder und Minderjähriger aus besetzten Gebieten nach Russland. Moskau spricht in dem Zusammenhang von Evakuierungen.

Der Haftbefehl des IStGH vom März 2023 gegen Putin sei ein wichtiges Zeichen gewesen, lobte Baerbock nun. Er »unterstreicht, dass dieser brutale Angriffskrieg vor allen Dingen gegen die Schwächsten geführt wird und dass die internationale Gemeinschaft insbesondere den Schwächsten, den Kindern zuallererst, Gehör gibt«.

Baerbock an Kiew: Römisches Statut ratifizieren

Die Bundesaußenministerin forderte die Ukraine auf, das Römische Statut als rechtliche Grundlage für den Internationalen Strafgerichtshof zu ratifizieren. »Ich weiß, wie heikel diese Frage ist«, sagte sie an die Ukraine gewandt. Eine Ratifizierung würde aber deutlich machen, dass die Ukraine ihr in der UN-Charta verankertes Recht auf Selbstverteidigung ausübe. Es gehe um die Rechenschaftspflicht für politische und militärische Anführer, die vorsätzlich Befehle erteilten, die das Völkerrecht missachteten.

Baerbock erneuerte ihren Vorschlag einer Reform des Römischen Statuts - sie will es so ändern, dass auch der Tatbestand des Angriffskriegs uneingeschränkt verfolgt werden kann. So soll es ausreichen, wenn der Opferstaat einer Aggression unter die Jurisdiktion des Gerichtshofes fällt. Derzeit kann nur der UN-Sicherheitsrat den Fall dem Gericht übertragen, da weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner sind. Als Ständiges Mitglied hat Russland im Sicherheitsrat ein Vetorecht. Die für eine Reform notwendige Mehrheit ist nicht in Sicht.

Kommt ein Sondertribunal für Russlands Aggressionsverbrechen?

Baerbock unterstützte erneut auch den Vorschlag, die russische Führungsriege per Sondertribunal für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Ein solches Tribunal soll auf ukrainischem Recht basieren. Internationale Elemente könnten ein Standort im Ausland, internationale Richter und Ankläger sowie eine unterstützende Resolution der UN-Generalversammlung sein.

© dpa-infocom, dpa:230717-99-435717/3