Außenministerin Annalena Baerbock hat angesichts des Schreckens durch den US-Atombombenabwurf auf Nagasaki am 9. August 1945 eindringlich für eine Welt ohne Atomwaffen geworben. Der Angriff auf die Stadt sei ein Mahnmal dafür, gemeinsam an einer Welt ohne Atomwaffen zu arbeiten, »auch wenn wir davon sehr weit entfernt sind«, sagte die Grünen-Politikerin in Nagasaki zum Auftakt ihres zweitägigen Antrittsbesuchs in Japan.
Auch angesichts dessen, dass gerade in jüngster Zeit die Zahl der Atomwaffen weltweit eher zu- als abgenommen habe, sei es für die Bundesregierung wichtig, sich weiterhin »für Frieden und eine Welt ohne Atomwaffen« stark zu machen - auch wenn es bis dahin ein langer Weg sei.
Nagasaki stehe wie die japanische Stadt Hiroshima »wie kein anderer Ort für absolute Vernichtung und Krieg und als Symbolort für die Mahnung vor dem Einsatz von Atomwaffen«, sagte Baerbock erschüttert. Die Bundesregierung unterstütze die Abrüstung, »auch wenn die Weltlage derzeit eine ganz andere ist«, betonte die Außenministerin vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Die Grünen-Politikerin verwies auf Initiativen wie den Atomwaffen-Verbotsvertrag, an dem Deutschland erstmals als Beobachter teilnehme, und den Nichtverbreitungsvertrag, bei dem aktiv an nuklearen Abrüstungsschritten gearbeitet werde - »auch wenn das in der derzeitigen Weltlage alles andere als einfach ist«.
Baerbock besucht Atombomben-Museum in Nagasaki
In Nagasaki besuchte Baerbock das Museum zum US-Atombombenabwurf auf die Stadt und legte zum Gedenken an die Opfer einen Kranz nieder. Lange verharrte die 41-jährige Mutter von zwei kleinen Mädchen etwa vor Bildern, die die Verwundungen kleiner Kinder direkt nach dem Bombenabwurf zeigen.
Allein in Nagasaki wurden damals etwa 70 000 Menschen durch direkte Einwirkung der Atombombe getötet, 75 000 weitere verletzt. Drei Tage zuvor hatten die USA die Stadt Hiroshima durch eine Atombombe mit geringerer Sprengkraft verwüstet. Unter dem Eindruck der Zerstörungen kapitulierte das Kaiserreich Japan am 15. August 1945.
Bei einem Treffen mit einem Zeitzeugen ließ sich Baerbock das Grauen des Atombombenangriffs und dessen bis heute andauernde Folgen schildern.
Zeitzeuge schildert Grauen und Folgen des Atombombenangriffs
Der 82-jährige Shigemitsu Tanaka berichtete Baerbock vom hellen, weißen Lichtblitz der Atomexplosion. Wie durch ein Wunder hätten er und seine Familie überlebt, erzählte Tanaka, der damals vier Jahre und zehn Monate alt war. Etwa sechs Kilometer nördlich von jenem Ort habe er gelebt, über welchem in 500 Metern Höhe die Atombombe explodierte. Innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometern wurde damals alles völlig zerstört, der Rest der Stadt wurde verwüstet.
Später seien Angehörige wie seine Eltern schwer erkrankt und teils an Krebs gestorben, erzählte der Mann mit grauem Haarkranz und kraftvoller Stimme. Eindringlich warb er dafür, gemeinsam mit der Jugend an einer Welt ohne Atomwaffen zu arbeiten. Weil »die Macht des Einzelnen begrenzt ist, müssen wir als Freunde handeln«, sagte er laut Übersetzung. »Es soll nie wieder Menschen geben, die durch eine Atombombe verletzt werden.«
Baerbock erinnerte in dem Gespräch daran, dass in ihrer Heimatstadt Hannover in einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche eine Glocke aus Hiroshima hänge. Die Außenministerin hatte sich allerdings zunächst versprochen und »Nagasaki« gesagt. Später korrigierte eine Sprecherin die Aussage.
Baerbock: Erinnerung hochhalten
In das Gedenkbuch schrieb Baerbock, sie verlasse das Museum »mit schwerem Herzen und zugleich bestärkt in unserem gemeinsamen Streben nach einer friedlicheren atomwaffenfreien Welt. Diese Gedenkstätte macht den Wahnsinn des Atomkrieges, das unvorstellbare Leid sichtbar.«
Trotzdem bestehe die »bittere Gefahr, dass so etwas wieder passieren könnte, solange es Atomwaffen gibt. Unser Engagement für eine Welt ohne Atomwaffen wird daher nicht nachlassen.«
Baerbock forderte, gemeinsam mit Japan die Erinnerung an den Krieg hochzuhalten - in einer Zeit, in der die Zeitzeugen weniger würden. Dies gelte auch für die Erinnerung an den Völkermord, den Deutschland mit seinem Angriffskrieg im Zweiten Weltkrieg begangen habe. Anschließend diskutierte Baerbock mit Studierenden der Nagasaki Junshin Catholic University über Friedenspolitik und Globalisierung.
Die Ministerin traf am Sonntagabend (Ortszeit) zum Abschluss ihres Asienbesuchs in Tokio ein. Am Montag wollte sie unter anderem ihren Amtskollegen Yoshimasa Hayashi zum Antrittsbesuch treffen. Im Mittelpunkt des Gesprächs werde die Stärkung der Zusammenarbeit gerade mit Blick auf die deutsche Indopazifik-Politik stehen, kündigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vorab an.
Klima im Fokus bei Palau-Besuch
Bereits am Samstag machte sich Baerbock im Pazifik-Inselstaat Palau für einen raschen weltweiten Ausstieg aus fossiler Energie stark. Die nächste Welt-Klimakonferenz im November in Ägypten müsse deutlich machen: »Wir teilen dieses Schicksal gemeinsam und wir können diese Klimakrise nur gemeinsam bewältigen«, sagte sie dort. »Das bedeutet vor allen Dingen ein massiv beschleunigter Ausstieg aus fossiler Energie und eine Energiewende, und zwar weltweit.«
Die Klimakrise bezeichnete sie insgesamt als »das schwierigste Sicherheitsproblem unserer Zeit«. Beim nötigen Wandel sei es wichtig, »dass nicht nur die Regionen, die jetzt schnell Geld investieren können, wieder vorne mit dabei sind. Sondern (dass) eben auch so kleine Inselstaaten wie (Palau) schnellstmöglich auf erneuerbare Energien umstellen können.«
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