Im Streit über die Pläne für ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland gibt es Hoffnung auf eine Einigung.
»In den nächsten Tagen werden wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen - da bin ich sehr zuversichtlich«, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. »In diesen Zeiten stehen wir als Europäerinnen und Europäer trotz aller Unterschiede so eng zusammen wie ich es bisher noch nie erlebt habe.«
Über die von der EU-Kommission präsentierten Pläne für ein Einfuhrverbot für russisches Öl gibt es mittlerweile seit fast zwei Wochen Streit in der EU, weil Ungarn nicht gewillt ist, das Projekt zu unterstützen. Das Land begründet dies mit seiner großen Abhängigkeit von russischen Öl-Lieferungen und den hohen Kosten für eine Umstellung auf andere Lieferanten. Zustimmen will Ungarn einem Embargo nur dann, wenn es von der EU milliardenschwere Beihilfen oder weitreichende Ausnahmeregelungen bekommt.
Außenminister Peter Szijjarto teilte am Montag mit, sein Land wolle entweder eine Komplett-Ausnahme für Öl-Lieferungen über Pipelines oder die Zahlung von 15 Milliarden Euro für Anpassungs- und Folgekosten.
Baerbock sagte am Montag zu den Vorbehalten, es sei wichtig, dass alle EU-Staaten den Ausstieg aus der Energieabhängigkeit von Russland stemmen und auch durchhalten könnten. Sie machte dabei auch deutlich, dass sie ein Öl-Embargo ganz ohne Ungarn und andere kritische Länder für eine sehr schlechte Idee hält. »Es ist wichtig, dass alle Länder den Weg des Ausstiegs gemeinsam gehen können«, sagte die Grünen-Politikerin. Man dürfe sich »keinen Millimeter« spalten lassen.
Scharfe Kritik in Richtung Ungarn
Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis übte hingegen scharfe Kritik am Kurs Ungarns. »Die ganze Union wird von einem Mitgliedstaat in Geiselhaft gehalten«, kritisierte er. Der als Gast an den Beratungen teilnehmende ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erinnerte daran, dass europäische Staaten weiterhin jeden Tag Millionen von Euro für russisches Öl und Gas ausgeben. Dieses Geld finanziere dann »die russische Kriegsmaschine, Aggressionen und Gräueltaten«, kritisierte er.
»Im Grunde genommen bezahlt die Europäische Union zwei Mal«, sagte er. So bezahle sie erst Russland und zahle dann noch einmal für die Unterstützung der Ukraine und die Zerstörung, die russische Waffen anrichteten.
Die Verhandlungen der EU-Staaten über ein Öl-Embargo sollten eigentlich bereits vor mehr als einer Woche abgeschlossen werden. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten zu beenden. Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen.
Nachbesserungsangebote konnten die ungarische Regierung bislang nicht dazu bewegen, ihre Ablehnung aufzugeben. So wurde vorgeschlagen, dass Ungarn und die Slowakei bis Ende 2024 Zeit für die Umstellung bekommen sollten und Tschechien bis Juni 2024.
Hoffnung ist nun, dass für Mittwoch geplante Vorschläge der EU-Kommission zur Förderung der Energiewende die Blockade lösen könnten. Es wird erwartet, dass sie auch Fördermöglichkeiten zugunsten von Ländern vorsehen, die wie Ungarn extrem von russischen Energielieferungen abhängig sind.
Auch von der Leyen unter Druck
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht wegen der Blockade ebenso wie Ungarn unter Druck, weil sie ihre Pläne für das Öl-Embargo öffentlich machte, obwohl Ungarn schon im Vorfeld gesagt hatte, dass es erst in einigen Jahren in der Lage sein wird, auf russisches Öl zu verzichten.
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte am Montag, er sei dafür, »dass man so etwas intern durchdiskutiert und dann an die Öffentlichkeit tritt, wenn man eine Einigung hat«. Angesichts der konfrontativen Situation mit Russland müsse man danach trachten, ein Bild der Geschlossenheit abzugeben.
Grundsätzlich äußerte sich Schallenberg wie Baerbock optimistisch dass es »in den nächsten Tagen« einige Einigung auf das sechste Sanktionspaket geben könnte. Es sieht neben dem Öl-Embargo auch vor, die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Zudem sollen unter anderem Russlands staatlicher Fernseh-Nachrichtensender Russia 24 (Rossija 24) sowie die ebenfalls staatlichen Sender RTR Planeta und TV Centre in der EU verboten werden.
Informationen zum Außenministertreffen
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