Nomsa Nyathi ist in Tränen aufgelöst. Vor laufender Kamera erklärt sie, wie in der Nacht zum 7. April an die Tür ihrer Wellblechhütte im Johannesburger Vorort Diepsloot gehämmert wurde. »Sie fragten nach unseren Pässen«, schluchzte sie.
Ein wütender Mob zerrte Nomsas Mann Elvis ins Freie, schlug mit Hämmern und Eisenstangen auf ihn ein und setzte ihn in Brand, bis der Gärtner leblos am Boden lag. Was dem 44-Jährigen zum Verhängnis wurde: Er war Simbabwer - und damit Ausländer. Präsident Cyril Ramaphosa zeigte sich von dem jüngsten Zwischenfall geschockt und versprach hartes Durchgreifen. Doch die Stimmung im Lande ist zunehmend schwerer zu kontrollieren.
Die Szene aus Diepsloot erinnerte an den Beginn der Gewaltexzesse zwei Jahre vor der Fußball-Weltmeisterschaft am Kap. Damals wurde ein Mosambikaner von einem Mob brutal zusammengeschlagen und dann schwer verletzt in Brand gesetzt. Das Foto des sich brennend noch einmal aufrichtenden Mannes ging um die Welt. Die Bilder nährten damals Zweifel an Südafrikas Rolle als WM-Gastgeber.
Engagement für Bekämpfung des Rassismus
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte schon vor anderthalb Jahren Südafrika zu einem stärkeren Engagement bei der Bekämpfung des Rassismus im Lande aufgefordert und auf Plünderungen, brutale Gewalt und Brandschatzungen hingewiesen. Denn immer wieder kamen bei den gewalttätigen Übergriffen in Johannesburg und Pretoria Menschen ums Leben. Verbale Beschimpfungen sind Alltag.
Und nun hat die Gewalt weiter zugenommen. Vigilante-Gruppen wie die »Operation Dudula« sorgen für Aufsehen. Die im Johannesburger Township Soweto gegründete Gruppierung erfreut sich landesweit zunehmender Sympathien. Ihre Anhänger nehmen immer wieder das Recht in ihre eigene Hand - etwa, wenn sie Inhaber von Geschäften zum Vorzeigen der Arbeitsgenehmigungen ihrer Mitarbeiter auffordern oder ausländische Kleinhändler von ihren Arbeitsplätzen vertreiben. Präsident Ramaphosa fühlt sich durch solches Verhalten an die Zeit der Apartheid erinnert. »So haben die Apartheid-Unterdrücker gehandelt«, schrieb er in seinem Rundbrief.
Lkw-Fahrer aus Nachbarstaaten, die die wichtige Handelsroute über die Autobahn N3 zum Hafen Durban nutzen, fahren nach brutalen Attacken zum Selbstschutz mittlerweile fast nur noch in Konvois. Die Gewalt richtet sich vor allem gegen Migranten aus anderen Ländern des Kontinents. Viele von ihnen leben in Südafrika, weil sie auf der Flucht sind, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Nur schwer sind gültige Aufenthaltsgenehmigungen zu bekommen.
Rechtliche Schwächen
Es gebe Schwächen beim Einwanderungsgesetz, gab Innenminister Aaron Motsoaledi im TV-Sender SABC zu. Zudem seien die Grenzkontrollen unzureichend. »Wir lassen viele einfach ins Land, darunter Kriminelle«, sagte er, »einige sind Gangster, die das Land zerstören.« Zudem würden sich illegale Migranten beim Wettbewerb um Jobs oft als billige Arbeitskräfte missbrauchen lassen. Wer legal im Lande sei, habe aber nichts zu befürchten.
Einwanderer aus Nachbarländern werden immer wieder verantwortlich gemacht für die hohe Arbeitslosigkeit im Lande, die offiziell bei 35,3 Prozent liegt. Nach inoffiziellen Zahlen hat jedoch fast die Hälfte der erwachsenen Südafrikaner keine Arbeit. Denn die Wirtschaft lahmt und schafft kaum noch neue Arbeitsplätze. Sie befand sich schon vor dem Mitte März 2020 verhängten strengen Corona-Lockdown in einer Rezession und hat sich seitdem kaum erholt. Nachdem Ramaphosa den 750 Tage aktiven Corona-Alarmplan Anfang April aussetzte, warb er auf einer Konferenz verzweifelt um internationale Investoren.
Das Negativ-Image durch die Gewalt gegen Einwanderer belastet auch Südafrikas Beziehungen zu anderen Staaten auf dem Kontinent. Südafrika wird dort längst nicht mehr als die sympathische Regenbogennation von Nelson Mandela wahrgenommen, der als erster schwarzer Präsident das Ubuntu-Konzept einer auf Gemeinsinn bedachten Nation propagierte.
Amnesty-Bericht: "South Africa: Failing Asylum system is exacerbating xenophobia
Motsoaledi-Interview im nationalen TV-Sender SABC
Rundbrief von Präsident Ramaphosa zu den Übergriffen
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