Nach mehr als 20 Jahren an der Macht hat sich Staatschef Ilham Aliyev im autoritär geführten Aserbaidschan in einer vorgezogenen und sehr umstrittenen Präsidentenwahl erneut als haushoher Sieger feiern lassen. Nach Auszählung fast aller Wahlzettel seien auf Aliyev 92,05 Prozent der Stimmen entfallen, teilte die Wahlkommission des ölreichen Südkaukasus-Staates am Donnerstag in der Hauptstadt Baku mit.
Nach dem Sieg gegen das verfeindete Nachbarland Armenien und der Eroberung der Konfliktregion Berg-Karabach hat der 62-Jährige damit nun seine Macht für weitere sieben Jahre gesichert. Unabhängige Beobachter prangern jedoch schwerwiegende Verstöße rund um die Abstimmung an, zu der mehr als sechs Millionen Menschen in dem Land am Kaspischen Meer aufgerufen waren.
OSZE kritisiert Wahl
Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte, dass Kritiker in Aserbaidschan unterdrückt werden und Aliyev, der das Präsidentenamt im Jahr 2003 von seinem Vater Heydar Aliyev übernommen hatte, keine ernst zu nehmenden Konkurrenten gehabt habe. »Einige Oppositionsparteien nahmen überhaupt nicht teil mit der Begründung, es fehle an angemessenen demokratischen Bedingungen«, sagte Missionsleiter Eoghan Murphy. Sein OSZE-Kollege Artur Herassymow sprach von einer »restriktiven Umgebung«, in der die Wahlen in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land abgehalten worden seien.
Konkret kritisierten die Beobachter, dass keiner der sechs Gegenkandidaten Aliyevs Politik ernsthaft infrage gestellt habe, »so dass die Wähler keine echte Alternative hatten«. Auch seien während des Urnengangs in den mehr als 6500 Wahllokalen teils »erhebliche Mängel« festgestellt worden - etwa unzureichender Schutz vor Wahlbetrug durch Mehrfachabstimmungen. Das weckt auch Zweifel an der tatsächlichen Wahlbeteiligung, die offiziell von aserbaidschanischer Seite mit knapp 77 Prozent angegeben wurde.
Beschränkungen von Versammlungs- und Meinungsfreiheit
Die OSZE-Beobachter verwiesen außerdem auf zunehmende Beschränkungen von Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Aserbaidschan und kritisierten die Verhaftung zahlreicher unabhängiger Journalisten im Vorfeld der Wahl. Diese hatten Korruptionsfälle in Aliyevs Machtapparat offengelegt.
Ungeachtet all dieser Vorwürfe ließ Baku die Wiederwahl Aliyevs öffentlich feiern. In der Millionenmetropole strömten in der Nacht zahlreiche Menschen mit Aliyev-Postern und Aserbaidschan-Flaggen auf die Straße. In der Stadt Schuscha in Karabach wurde ein Feuerwerk veranstaltet. Offiziellen aserbaidschanischen Angaben zufolge baute Aliyev bei seinem offiziell fünften Wahlsieg in Folge sein Ergebnis im Vergleich zur letzten Präsidentenwahl im Jahr 2018 noch einmal deutlich aus. Damals war es mit 86 Prozent angegeben worden.
Glückwünsche kamen von mehreren internationalen Staats- und Regierungschefs, darunter Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte. Sein von Russland angegriffenes Land hat in der Vergangenheit humanitäre Hilfe aus Aserbaidschan erhalten, das ebenfalls eine Ex-Sowjetrepublik ist.
Präsidentenwahl vorgezogen
Aliyev hatte die eigentlich erst für 2025 geplante Präsidentenwahl vorziehen lassen. Offiziell begründete er den Schritt damit, dass er nach der Eroberung von Berg-Karabach und der Wiederherstellung der territorialen Integrität Aserbaidschans nun eine neue Legitimation brauche. Unabhängige Beobachter vermuten jedoch, dass es dem autoritären Machthaber eher darum ging, den Karabach-Triumph auszunutzen, bevor sein Volk im kommenden Jahr möglicherweise wieder mehr auf die schwierige wirtschaftliche Lage Aserbaidschans blickt.
Aserbaidschanische Truppen hatten Berg-Karabach, um das es bereits 2020 Krieg gegeben hatte, im vergangenen Herbst erneut angegriffen und auch die restlichen Teile erobert. Die Region liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wurde aber bis vor einigen Monaten mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnt. Jahrzehntelang war Karabach zwischen Aserbaidschanern und Armeniern umkämpft. Durch die Angriffe der aserbaidschanischen Armee flohen mehr als 100.000 Karabach-Bewohner. Armenien warf Aserbaidschan Vertreibung und »ethnische Säuberung« vor.
Trotz der prekären Menschenrechtslage und der militärischen Gewalt gegen Berg-Karabach ist Aserbaidschan ein wichtiger Energielieferant für die EU, die langfristig unabhängig von russischem Gas werden will. Baku richtet zudem im November die Weltklimakonferenz COP29 aus. Beides stößt immer wieder auf Kritik.
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