Nach gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten hat die schwedische Polizei weitere Demonstrationen gegen ein Eritrea-Festival in Stockholm untersagt. Die eigentlich bis Samstag geltende Erlaubnis für eine öffentliche Versammlung werde nach den Problemen vom Donnerstag widerrufen, teilte die Stockholmer Polizei am Freitag mit. Das eritreische Kulturfestival dürfe dagegen weiterhin stattfinden.
Bei einer Demonstration gegen das Festival war es am Donnerstag im Norden der schwedischen Hauptstadt zu chaotischen Szenen, Bränden und Schlägereien gekommen. Zelte und Fahrzeuge wurden angezündet. Nach Behördenangaben zogen sich 55 Menschen Verletzungen zu, darunter drei Polizeibeamte. Am Freitagmittag lagen nach Angaben der Region Stockholm noch 14 Menschen mit so schweren Verletzungen im Krankenhaus, dass sie weiter behandelt werden mussten.
Die Polizei nahm Ermittlungen wegen gewalttätiger Ausschreitungen, Brandstiftung und schwerer Sabotage der Einsatzkräfte auf. Sie setzte etliche Menschen fest, darunter eine Person wegen Brandstiftung und rund 140 vor allem im Zusammenhang mit einer Störung der öffentlichen Ordnung. Darüber hinaus konnten etwa 40 Menschen nach Polizeiangaben nicht vorweisen, dass sie sich in Schweden aufhalten durften.
Konflikt um politische Führung in Eritrea
Hinter den Ausschreitungen soll ein Konflikt zwischen Gegnern der politischen Führung im ostafrikanischen Staat Eritrea und den als regierungsfreundlich beschriebenen Organisatoren des Festes stecken. Das seit den 1990er Jahren veranstaltete »Festival Eritrea Scandinavia« gilt seit längerem als umstritten. Es wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, die Ein-Parteien-Diktatur in Eritrea zu unterstützen und hochrangige Vertreter der Führung einzuladen. Um dagegen zu demonstrieren, sollen nach Angaben schwedischer Medien auch gebürtige Eritreer aus anderen europäischen Ländern nach Schweden gereist sein.
Das Festival läuft noch bis Sonntag. Es handelt sich um eine Zusammenkunft, auf der unter anderem Seminare und Debatten stattfinden, es gibt Musik, eritreisches Essen und einen kleinen Jahrmarkt. Es sei nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine politische Veranstaltung, sagte der Eritrea-Experte Kjetil Tronvoll dem schwedischen Rundfunksender SVT. Die Diktatur betreibe seit langem eine umfassende Spionage ihrer Diaspora im Ausland. Eritrea sei das Land, das weltweit die stärkste Kontrolle über seine im Ausland lebenden Mitbürger ausübe, sagte er.
Ein ähnlicher Vorfall wie in Stockholm hatte sich im Juli auch im hessischen Gießen ereignet. Gegner eines Eritrea-Festivals hatten sich auch dort gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Dabei wurden mindestens 26 Polizisten verletzt. Auch der dortige Veranstalter gilt als regierungsnah, weshalb das Fest ebenfalls umstritten gewesen ist.
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
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