Mit ihrer eindrücklichen Aussage hat eine ehemalige Mitarbeiterin des Weißen Hauses ein neues Licht auf die Kapitol-Attacke geworfen und die Frage nach rechtlichen Konsequenzen für Ex-Präsident Donald Trump aufgeworfen.
Cassidy Hutchinson zufolge soll Trump sich vorab über mögliche Gewalt am 6. Januar 2021 im Klaren gewesen sein. Er habe gewusst, dass die Demonstranten bewaffnet waren, sagte die 26-Jährige vor dem Untersuchungsausschuss, der die Ereignisse rund um den Sturm aufs Kapitol aufklären soll. Trump nannte die Vorwürfe am Mittwoch »Lügen und erfundene Geschichten« und sprach von einer »Hexenjagd«.
Hutchinson sagte am Dienstag als Überraschungszeugin vor dem Ausschuss aus. Im Jahr 2018 begann die damals 22-Jährige als Praktikantin im Weißen Haus. Schließlich begann sie für den damaligen Stabschef Mark Meadows zu arbeiten. Der Ausschuss hört seit einigen Wochen bei öffentlichen Anhörungen Zeuginnen und Zeugen an. US-Medien zufolge war Hutchinson die bisher stärkste Zeugin. Sie zeichnete ein verstörendes Bild der Ereignisse im Weißen Haus. Der Rechtsberater des Weißen Hauses, Pat Cipollone, solle schon am 3. Januar vor rechtlichen Konsequenzen gewarnt haben, wenn er Protest nicht verhindert werde, so Hutchinson.
Kritik an Trump-Stabschef
Hutchinsons und andere Aussagen hätten gezeigt, dass Trump die Hauptperson in »jeder Phase« des Versuchs, die Wahl zu kippen, gewesen sei, sagte der Jurist und ehemalige stellvertretende Justizminister Donald Ayer dem Sender CNN. Es ginge nun vor allem um die Frage des Vorsatzes - und Trump habe gewusst, was er tat. »Es besteht immer noch eine große Unsicherheit in Bezug auf die Frage der kriminellen Absicht eines Präsidenten«, sagte der Rechtsexperte und ehemalige Beamter im Justizministerium, Alan Rozenshtein, der »New York Times«. Doch Hutchinsons Aussage habe seine Einschätzung geändert. Er halte es nun für deutlich wahrscheinlicher, dass Trump angeklagt werde.
Trump reagierte auf Hutchinsons Aussage mit einer Reihe von Posts auf seinem sozialen Netzwerk »Truth Social«. Er nannte Hutchinson eine »Schwindlerin«. Diese sagte aus, Trump habe vor seiner aufwiegelnden Rede am 6. Januar gewusst, dass die Demonstranten bewaffnet gewesen seien. »Nehmt diese verdammten Metalldetektoren weg. Sie sind nicht hier, um mich zu verletzen. Lasst sie rein. Lasst meine Leute rein, sie können nach der Kundgebung zum Kapitol marschieren«, zitierte sie den Ex-Präsidenten. Dieser habe außerdem selbst zum Kapitol fahren wollen - was der Secret Service schließlich aus Sicherheitsgründen verhindert haben soll.
Hutchinson zeichnete auch ein düsteres Bild ihres ehemaligen Chefs, Stabschef Meadows. Als sie Meadows einmal über die drohende Gewalt am 6. Januar informiert habe, solle dieser fast gar nicht reagiert haben, schilderte sie. Meadows gilt als treuer Gefolgsmann Trumps und verweigert die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss. Meadows und Rudy Giuliani hätten außerdem Interesse an einer vorauseilenden Begnadigung durch Trump gehabt, sagte Hutchinson. Der frühere Bürgermeister von New York gehörte zu den großen Verfechtern von Wahlbetrugsbehauptungen an der Seite Trumps.
Trump hätte Gewalt verurteilen können
Viele der Informationen über das Gewaltpotenzial seien bereits vor dem Ausbruch der Gewalt bekannt gewesen, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Liz Cheney. »Und zwar früh genug, damit Präsident Trump Schritte zur Verhinderung der Gewalt unternehmen konnte«, so die Republikanerin, die Hutchinson befragte, weiter. Er hätte zum Beispiel die Menschenmenge während seiner Rede dazu auffordern können, nicht zum Kapitol zu marschieren. »Er hätte die Gewalt sofort verurteilen können, als sie begann.«
Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Der Angriff auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei.
© dpa-infocom, dpa:220629-99-850302/2