BERLIN. Der Attentäter von Halle hat sich im September 2018 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr beworben. Das verlautete nach einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages, an der Generalbundesanwalt Peter Frank und ein Vertreter des Bundeskriminalamtes teilnahmen.
Den Angaben zufolge zog er seine Bewerbung allerdings später wieder zurück. Weshalb er sich dann anders entschied, ist noch nicht bekannt. Er hatte ab Ende 2010 einige Monate Wehrdienst geleistet. Ein Chemie-Studium brach er ab.
Der Mann habe sich auf eine Mannschaftslaufbahn beworben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus der Bundeswehr. Im Jahr 2019 habe er einen Tag vor dem Auswahlverfahren dann eine Email geschrieben und erklärt, er verzichte auf die Bewerbung. Die Gründe seien unklar geblieben. »Wir wissen es nicht«, hieß es dazu aus der Bundeswehr.
Am Mittwoch vor einer Woche hatte der Deutsche schwer bewaffnet versucht, in die Synagoge in Halle an der Saale einzudringen, wo rund 50 Gläubige den jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Als der Plan misslang, erschoss der Täter auf der Straße eine 40 Jahre alte Frau und kurz darauf einen 20-jährigen Mann in einem Döner-Imbiss. Es gab mehrere Verletzte. Der 27-Jährige ist in Untersuchungshaft. Er hat die Tat gestanden und dabei antisemitische und rechtsextreme Motive eingeräumt.
Der Attentäter soll sich bereits 2015 im Internet eine Schusswaffe besorgt haben. Das berichteten mehrere Teilnehmer der Innenausschuss-Sitzung. Ob er die Waffe im offenen Internet oder im sogenannten Darknet fand, ist demnach noch nicht endgültig geklärt. Auch die Frage, ob es sich damals um eine Schreckschusspistole oder um eine scharfe Waffe handelte, sei letztlich offen geblieben.
»Offenbar war Stephan B. auch im Besitz einer nicht selbst-konstruierten Waffe«, sagte der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser. Die Behörden hätten über deren Herkunft bisher nur unzureichend Auskunft gegeben.
Für das von ihm geplante Massaker in der Synagoge baute er mehrere Waffen selbst und stellte auch Munition her. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte, dass der Mann die Tür der Synagoge nicht überwinden konnte, habe wohl vor allem an der relativ geringen Durchschlagskraft seiner selbstgebauten Waffen gelegen. Der Attentäter soll den Angaben zufolge gesagt haben, er habe seine selbstgebauten Waffen nur einmal in einem Schuppen seines Vaters ausprobiert.
Zwei Männer aus Mönchengladbach sollen das perfide »Manifest« des Attentäters im Internet verbreitet haben. Die Wohnung der Beschuldigten sei am Mittwoch durchsucht worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, Jan Steils, am Mittwoch auf dpa-Anfrage. Es bestehe der Verdacht, dass sie »vom Attentäter herrührende« Dokumente mit volksverhetzendem Inhalt »zeitnah zum Attentat von Halle« verbreitet hätten. Auf die Frage, ob es sich dabei um das »Manifest« des Attentäters handele, sagte Steils, das treffe zu. Gegen die 26 und 28 Jahre alten Männer werde wegen Volksverhetzung ermittelt.
Die »Süddeutsche Zeitung« hatte zuvor online - nach gemeinsamen Recherchen mit WDR und NDR - von einer verdächtigten Person aus Mönchengladbach berichtet. Diese stehe im Verdacht, mit dem Attentäter in Verbindung gestanden und über die geplante Tat informiert gewesen zu sein. Dazu äußerte sich die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft nicht - unter Hinweis auf laufende Ermittlungen. Steils betonte, es handele sich bei den Untersuchungen in Mönchengladbach um ein »separates Verfahren«.
Beamte des NRW-Landeskriminalamtes durchsuchten die Wohnung der zwei Männer Mittwochfrüh und stellten »zahlreiche elektronische Geräte und Speichermedien« sicher. Das berichteten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit der Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft. Diese würden nun ausgewertet.
Die Spur nach Mönchengladbach ergab sich dem »SZ«-Bericht zufolge nach einem Hinweis auf eine Computer-IP-Adresse, die das Bundeskriminalamt von US-Behörden erhalten habe. Das BKA in Wiesbaden und die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach äußerten sich dazu nicht.
Knapp zwei Drittel der Bürger glauben, dass Politik und Sicherheitsbehörden die Gefahr des rechtsextremen Terrors in den vergangenen Jahren unterschätzt haben. Dieser Ansicht stimmten im INSA-Meinungstrend im Auftrag der »Bild«-Zeitung 65 Prozent der Befragten zu. 17 Prozent hielten die These nicht für zutreffend. Elf Prozent konnten dazu keine Einschätzung abgeben. (dpa)