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Anstoß zu mehr Unterstützung für Long-Covid-Kranke

Sorgen um Corona sind bei vielen in den Hintergrund getreten - und Schutzregeln längst passé. Doch Tausende Erkrankte haben noch immer teils schwere Gesundheitsprobleme. Können sie auf mehr Hilfe zählen?

Karl Lauterbach
»Die Long-Covid-Kranken erwarten zu Recht, dass wir uns um sie kümmern«: Bundesgesunheitsminister Karl Lauterbach. Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA
»Die Long-Covid-Kranken erwarten zu Recht, dass wir uns um sie kümmern«: Bundesgesunheitsminister Karl Lauterbach.
Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA

Für Menschen mit langwierigen Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen sollen mehr Unterstützungsangebote in Sicht kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellte ein Long-Covid-Programm vor, das unter anderem ein Informationsportal und 40 Millionen Euro als Forschungsförderung vorsieht.

»Für Menschen mit Long Covid ist die Pandemie leider noch nicht beendet«, sagte der SPD-Politiker. Sie litten unter den Folgen, warteten auf Forschungsergebnisse, Therapien und gute Versorgung. Die Initiative soll auch einen Anstoß geben, dass sich mehr Ärztinnen und Ärzte engagieren - denn Anlaufstellen sind rar und Wartezeiten oft lang.

Lauterbach erläuterte: »Die Zukunft von Long Covid hat leider erst begonnen.« Auch Geimpfte und bereits Infizierte könnten bei weiteren Infektionen betroffen sein, so dass dies noch an Bedeutung gewinnen werde. Dabei sei davon auszugehen, dass zwischen 6 und 15 Prozent der Infizierten an Long Covid erkranken. Darunter versteht man teils schwere Beschwerden, die nach einer akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder dann neu auftreten. Post Covid beschreibt das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion.

Dabei sei das Infektionsgeschehen in Deutschland aktuell zum Glück »sehr ruhig«, sagte Lauterbach. Es gebe im Moment auch keinen Hinweis darauf, »dass es eine von uns nicht beobachtete Welle gäbe«. Die Long-Covid-Inititiative des Ministeriums hat drei Elemente:

Information

Auf dem neuen Internetportal sollen Empfehlungen zur Behandlung und Erkenntnisse zum Stand der Wissenschaft abrufbar sein - sowie auch Angaben, wo man Angebote in Kliniken und Praxen finden kann. Informationen gibt es demnach jeweils für Erkrankte, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch für Ärztinnen und Ärzte. Denn Spezialsprechstunden für Menschen mit Long Covid gibt es bisher zu wenig, wie Lauterbach erläuterte.

Forschung

Für die Förderung von Modellprojekten zu Versorgungs- und Behandlungskonzepten sollen 21 Millionen Euro aus dem Bundesetat 2024 bereitgestellt werden. Weitere 20 Millionen Euro sollen über einen Fonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen mobilisiert werden. Angepeilt waren einst 100 Millionen Euro, wie Lauterbach selbst einräumte. In der prekären Haushaltslage seien die insgesamt 40 Millionen Euro aber »eine große Initiative«.

Vernetzung

Am 12. September plant Lauterbach einen »Runden Tisch« mit verschiedene Akteuren - etwa Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen, Pharmabranche und Selbsthilfe-Organisationen. Weitere Runden sollen folgen. Es gehe darum, Experten und Betroffene zusammenzubringen, um Ideen für eine bessere Versorgung zu entwickeln, sagte der Minister.

Der Bedarf an Forschung, neuen Medikamenten und besserer Betreuung ist groß, wie Fachleute seit längerem mahnen. Krankheitsbilder nach Infektionen habe es schon vor der Pandemie gegeben - nun sei es aber eine neue Dimension, sagte die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité, Carmen Scheibenbogen. Momentan sei nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer von 30 Europäern an Long Covid erkrankt, auf Deutschland umgerechnet seien das 2,5 Millionen Menschen. Mit Post Covid waren Ende vergangenen Jahres knapp 335.000 Menschen in Arztpraxen in Behandlung, teilte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nach Abrechnungsdaten mit.

Die Krankheitssymptome sind uneinheitlich: von anhaltender Schwäche und Erschöpfung, teils verstärkt schon bei leichten Belastungen, über Probleme beim Atmen bis zu Herz-Kreislauf-Beschwerden. Manche Betroffene können auch nicht mehr berufstätig sein. Dabei gibt es noch kein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen. Scheibenbogen appellierte an Ärzte, sich fortzubilden und Betroffenen zumindest eine Grundversorgung zukommen zu lassen. Mit dem Behandeln von Schmerzen oder Schlafstörungen könne vielen schon geholfen werden.

Die 40-Millionen-Förderung soll nun zumindest ein Anstoß sein. Bis Modellprojekte in die reguläre Versorgung kommen, braucht es dann noch Zeit. Und nötig sind auch deutlich größere Investitionen, wie der Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikums Marburg, Bernhard Schieffer, deutlich machte: »Wir brauchen eine Dekade der Long-Covid-Forschung.« Da Heilung noch nicht möglich ist, stehen Entwicklung und Zulassung von Medikamenten im Fokus. Lauterbach und Scheibenberg mahnten auch mehr Aktivität der Pharmabranche an. Die Charité-Expertin warnte mit Blick auf volkswirtschaftliche Schäden von Long Covid: »Das Teuerste wird sicher sein, nichts zu tun.«

© dpa-infocom, dpa:230712-99-377418/4