Berlin (dpa) - Wegen der Planung eines Terroranschlags hat das Berliner Kammergericht einen 32-jährigen Islamisten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Richter legten dem Mann die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zur Last.
Als mögliches Anschlagsziel hatten die Islamisten laut Urteil das »Gesundbrunnen-Center« in Berlin in den Blick in den Blick genommen. Die Planungen seien aber aus Angst vor Entdeckung abgebrochen worden.
Magomed-Ali C., 2011 aus Dagestan nach Deutschland gekommen, hatte oft die inzwischen verbotene Berliner Fussilet-Moschee besucht, in der auch Anis Amri verkehrte, der spätere Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz. Der Angeklagte habe Amri zwar gekannt, direkte Kontakte zwischen ihnen seien aber nicht festgestellt worden, hieß es in der Urteilsbegründung.
Magomed-Ali C. sei zwar nicht die treibende Kraft hinter den Terrorplänen gewesen, habe aber einen Anschlag befürwortet und Sprengstoff in seiner Berliner Wohnung gelagert, sagte der Vorsitzende Richter Detlev Schmidt. Bei einem Anschlag sollten demnach möglichst viele Menschen getötet werden, um mit einem Klima der Angst die innere Sicherheit Deutschlands zu beeinträchtigen.
Zu einem Anschlag kam es nicht, die Planungen wurden laut Urteil Ende Oktober 2016 gestoppt. Zuvor hatte die Polizei an der Berliner Wohnungstür des Mannes mit russischer Staatsbürgerschaft geklingelt, der bereits als »Gefährder« galt. Der abgelehnte Asylbewerber, nach eigenen Angaben gelernter Schuhmacher, hatte ein befristetes Bleiberecht.
Das Gericht blieb mit der Haftstrafe unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft, die sechs Jahre und zehn Monate gefordert hatte. Die Einbindung von Magomed-Ali C. sei geringer gewesen als von der Anklage dargelegt, so der Richter. Er sprach von einer schwierigen Beweisfindung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe sich auf eine Sperrerklärung bezogen, nannte er ein Beispiel.
Der Prozess stützte sich im Wesentlichen auf ein abgehörtes Telefongespräch des später in Frankreich inhaftierten Islamisten Clement B. mit seinem Vater. Im Berliner Prozess sollte der Islamist per Videoschalte befragt werden, verweigerte aber die Aussage. Auch der Angeklagte äußerte sich in 38 Verhandlungstagen nicht.
Clement B. sei fest entschlossen gewesen, einen Anschlag zu verüben, hieß es im Urteil. Magomed-Ali C. habe das gewusst und den hochexplosiven Sprengstoff TATP gelagert. »Das ist Täterschaft« - obwohl der Angeklagte den Anschlag nicht habe selbst ausführen wollen.
Bei der Festnahme von Magomed-Ali C. im August 2018 wurde kein Sprengstoff gefunden. Jedoch stellte sich im Prozess heraus, dass es in Sachsen einen Sprengstofftest von Clement B. gab. Anis Amri und Clement B. hatten laut Urteil in Berlin enge Verbindungen.
Clément B. war im April 2017 in Marseille wegen Anschlagsplanungen festgenommen worden. Er hatte laut Bundesanwaltschaft enge Kontakte zu einer belgischen, in Verviers ansässigen Terrorzelle, die 2015 zwei Anschläge in Paris sowie einen 2016 in Brüssel verübte. In der radikal-islamistischen Szene in Verviers lernten sich Clément B. und Magomed-Ali C. demnach kennen.
Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert. Elf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Außerdem tötete Amri den Lastwagenfahrer. Der Tunesier selbst wurde auf der Flucht in Italien erschossen.
Die Verteidigung zeigte sich nach dem Urteil »fassungslos«. Anwalt Kerem Türker sagte, er empfehle dem Verurteilten die Revision.
Martina Renner, Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Breitscheidplatz, sagte, der Ausschuss werde jetzt versuchen zu klären, inwieweit Amri in die Terrorpläne eingebunden war. »Es ist unwahrscheinlich, dass keine Bundesbehörde davon Kenntnis erlangt haben will.«
Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic sagte, es gebe Einvernehmen in dem Gremium, dass C. dort als Zeuge vernommen werden solle. Nach Ansicht von Benjamin Strasser, FDP-Obmann in dem Ausschuss, zeigt das Urteil, dass die Anschlagsplanungen erschreckend real gewesen sein müssen.