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Ampel sucht Lösung für Haushaltskrise

Schuldenbremse reformieren, bei den Ausgaben sparen oder die Steuern erhöhen? Nach dem einschneidenden Urteil aus Karlsruhe sucht die Ampel-Koalition nach Wegen aus der Haushaltskrise.

Haushaltsausschuss
Blick in den Sitzungssaal mit dem Haushaltsausschuss des Bundestags mit der finalen Beratung des Etats für 2024. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Blick in den Sitzungssaal mit dem Haushaltsausschuss des Bundestags mit der finalen Beratung des Etats für 2024.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

Die Ampel-Regierung streitet um Schlussfolgerungen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Grünen-Politiker sprachen sich für Änderungen der Schuldenbremse aus. SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte gar dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden.

Die FDP hingegen will die Schuldenbremse nicht antasten und stattdessen Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen - sie wandten sich zudem abermals gegen Steuererhöhungen. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte vor einem Modernisierungsstopp in Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte in seinem Urteil vom Mittwoch untersagt, Corona-Kredite nachträglich für Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie umzuwidmen. Es fehlen daher 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, einem wirtschaftlich vom Kernhaushalt getrennten Sondervermögen. Die große Frage ist, wie die Ampel-Koalition dieses Finanzloch stopfen wird.

SPD und Grüne gegen drastische Einsparungen

Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben.« Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. »Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen«, sagte der SPD-Parteichef.

Auch Grünen-Parteichefin Ricarda Lang machte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung »Berlin direkt« deutlich, dass sie wenig von einem strikten Sparkurs hält. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren. »Denn so würden wir uns in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise in diesem Land hineinsparen.« Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten. »Wir wissen, dass gerade insbesondere rechte Parteien soziale Sorgen, Ängste der Menschen immer wieder mobilisieren.«

Gefragt nach den Prioritäten der Grünen, wo gespart werden könne, sagte Lang: »Wir können gerne über klimaschädliche Subventionen sprechen.« Das Umweltbundesamt (UBA) hatte darauf hingewiesen, dass sich im Jahr 2018 die umweltschädlichen Subventionen auf mindestens 65 Milliarden Euro beliefen - neuere Daten liegen nicht vor.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet auch Auswirkungen auf die Energiepreisbremsen. Das Urteil beziehe sich zwar nur auf den Klima- und Transformationsfonds, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Allerdings: »In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind.«

FDP will Sozialleistungen überprüfen

Hingegen sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Funke-Mediengruppe, die Koalition müsse auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne. »Tatsache ist, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann.« Steuererhöhungen seien dagegen der falsche Weg, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Schuldenbremse reformieren oder abschaffen

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich für Änderungen an der Schuldenbremse aus. »Wir Grünen werben schon seit vielen Jahren dafür, die Schuldenbremse zu reformieren, da sie ökonomisch schlecht gemacht ist«, sagte sie dem »Tagesspiegel«. Die Regel bremse notwendige Investitionen aus und sei »in ihrer jetzigen Form eine Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland«. Jetzt zeige sich zudem, dass die Schuldenbremse auch in Krisenzeiten nicht flexibel genug sei, um Menschen und Unternehmen richtig zu unterstützen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Die Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP, in Teilen von Grüne und SPD ist sie hingegen umstritten.

So hatte Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner der »Bild am Sonntag« gesagt: »Die neue Rechtsklarheit ist kein Anlass, die Schuldenbremse zu schleifen, sondern sie zu stärken.«

Union hält an Schuldenbremse fest

Die oppositionelle Union warnte die Regierungskoalition davor, die Schuldenbremse auszusetzen. »Die einzige Notlage, die wir haben, ist vielmehr eine von der Bundesregierung selbstverursachte politische Notlage«, sagte CDU/CSU-Chefhaushälter Christian Haase den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Es gibt aber keine ökonomische Notlage, denn sonst hätte die Bundesregierung diese ja schon kurz nach ihrer Herbstprognose im Oktober erklären müssen.«

© dpa-infocom, dpa:231119-99-07903/5