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Ampel-Koalition ringt um Lösungen in Haushaltskrise

Die Koalition steuert auf entscheidende Verhandlungen in der Haushaltkrise zu. Der Finanzminister schlägt Pflöcke ein, wo gespart werden soll. Die SPD hält dagegen.

Bundestag - Haushalt
Bundestagsdebatte zum Haushalt 2024. Foto: Michael Kappeler/DPA
Bundestagsdebatte zum Haushalt 2024.
Foto: Michael Kappeler/DPA

Die Ampel-Koalition ringt um Lösungen, wie nach dem Haushaltsurteil Milliardenlöcher im Bundeshaushalt für das kommende Jahr gestopft werden können. In den kommenden Tagen könnten dazu Entscheidungen getroffen werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) konkretisierte, in welchen Bereichen er Einsparungen für möglich hält. Die SPD wandte sich gegen Einsparungen im Sozialbereich.

Warum gespart werden muss

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Not-Kredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Das hat der Bund aber in Sondertöpfen getan - was nun zusätzliche Löcher in den Etat reißt. Lindner sieht für 2024 einen »Handlungsbedarf« von 17 Milliarden Euro.

Verhandlungen auf Spitzenebene

SPD-Chef Lars Klingbeil stellte schwierige Gespräche in Aussicht. Aktuell finden diese vor allem in einer Dreierrunde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner statt. An diesem Wochenende könnte es Gespräche geben. Der Druck ist groß: Innerhalb der nächsten Tage muss die Koalition sich einigen, wenn sie den Haushalt für 2024 noch in diesem Jahr beschließen will. Vom 8. bis 10. Dezember findet in Berlin der SPD-Parteitag statt.

»Wir werden uns mit drei großen Kostenblöcken beschäftigen müssen«, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er nannte die Bereiche Soziales unter anderem mit dem Bürgergeld, internationale Finanzhilfen sowie nicht näher spezifizierte Förderprogramme. Doch der Koalitionspartner SPD will nicht nur über Einsparungen reden, sondern stellt den vereinbarten Verzicht auf Steuererhöhungen zur Disposition, wie Klingbeil deutlich machte.

Sozialetat im Blickfeld

Für Soziales setze der Bund aktuell 45 Prozent seiner Ausgaben ein, so Lindner. »Da werden wir schauen, wie man treffsicherer werden kann.« Es gehe beispielsweise darum, Menschen schneller in Arbeit zu bringen. Das nutze den Menschen und auch dem Bundeshaushalt.

Mit Blick auf das Bürgergeld wies der Finanzminister darauf hin, dass sich die Inflationsrate wesentlich besser entwickelt, als bei der Festlegung des Regelsatzes für 2024 prognostiziert. Die Inflation war im November auf 3,2 Prozent gesunken - die geplante Bürgergeld-Erhöhung ab Januar basiert noch auf einer Inflation von 9,9 Prozent, wie der sozialpolitische FDP-Fraktionssprecher Pascal Kober deutlich gemacht hatte. Lindner sagte: »Bei der anstehenden Prüfung des Abstands zwischen Löhnen und Sozialleistungen wird man sich daher das Anpassungsverfahren ansehen müssen. Denn es muss immer einen spürbaren Unterschied machen, ob jemand arbeitet oder nicht arbeitet.«

Die SPD will sich gegen Einsparungen im Sozialbereich stemmen. »Sozialabbau auf Kosten derer, die sich den Allerwertesten für die Gesellschaft aufgerissen haben, das machen wir nicht mit«, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert am Samstag auf einem Parteitag der Thüringer Sozialdemokraten in Meiningen. »Die SPD fightet, dass es kein Sparhaushalt wird, dass nicht die Ärmsten die Leidtragenden sind«, sagte Kühnert. Ziel bleibe, einen Bundeshaushalt für das kommende Jahr noch vor Weihnachten hinzubekommen.

Wo Lindner noch sparen will

Deutschland liege bei der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Klimaschutz-Finanzierung vorne, sagte Lindner. »Wir können gerne auf Platz eins bleiben. Aber vielleicht lässt sich der Abstand zu Platz zwei reduzieren.« Lindner nannte außerdem Förderprogramme. »Es gibt zahlreiche Subventionen, bei denen zu fragen ist, ob sie ihre Ziele tatsächlich erfüllen oder nicht aus der Zeit gefallen sind.« Noch sei es aber zu früh, einzelne Programme zu benennen. »Das führt sonst zu einem Run auf Förderprogramme auf den letzten Metern.« Die Grünen haben sich für den Abbau klimaschädlicher Subventionen ausgesprochen. Kürzungen bei der Bundeswehr soll es angesichts der veränderten Bedrohungslage seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht geben, so Lindner.

Noch einmal Notlage?

Für 2023 soll noch einmal eine Notlage erklärt und die Schuldenbremse damit ausgesetzt werden, die Union will sich nicht querstellen. Begründung: die anhaltende Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Klingbeil will das auch für 2024: »Es muss eine Sparleistung der Bundesregierung geben. Aber am Ende bin ich der festen politischen Überzeugung: Wir müssen die Notlage für 2024 ausrufen, weil ich nicht in eine Situation kommen will, wo wir die Ukrainehilfe gegen Klimainvestition ausspielen«, sagte er. Lindner sieht das aber sehr skeptisch. »Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass man eine neuerliche Aussetzung verfassungsmäßig tragfähig begründen kann«, sagte er.

Warnung vor steigenden Strompreisen

Die Energiebranche warnt vor steigenden Strompreisen. Ohne einen Bundeszuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten würden die Endkundenpreise deutlich steigen, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft am Samstag der dpa. »Dabei ist eine bezahlbare Stromversorgung gerade in Zeiten von Unsicherheiten von hoher - auch gesellschaftspolitischer - Bedeutung.«

Konkret geht es um einen für das kommende Jahr geplanten Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen - als Folge des Haushaltsurteils muss die Bundesregierung diesen Sondertopf allerdings zum Ende des Jahres auflösen. Das Geld für den Zuschuss müsste nun also aus dem Kernhaushalt kommen.

© dpa-infocom, dpa:231202-99-153680/3