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Ampel-Koalition ringt um Finanzen

Eigentlich sind Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner per Du. Dennoch führen sie einen scharfen Streit um Finanzfragen. SPD-Vertreter schütteln den Kopf, und der Kanzler hält sich raus.

Bijan Djir-Sarai
»In der derzeitigen angespannten Situation nun über Steuererhöhungen zu reden, wäre Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland«, sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Foto: Michael Kappeler
»In der derzeitigen angespannten Situation nun über Steuererhöhungen zu reden, wäre Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland«, sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
Foto: Michael Kappeler

Knapp einen Monat vor einem ersten wichtigen Kabinettsbeschluss für den nächsten Bundeshaushalt herrscht innerhalb der Ampel-Koalition Uneinigkeit in Grundsatzfragen. Grüne und FDP streiten heftig unter anderem über Prioritäten angesichts begrenzter Ressourcen. SPD-Vertreter reagieren mit Unverständnis. Am 15. März soll das Kabinett Eckwerte für 2024 beschließen, die dann zu einem kompletten Haushalt ausformuliert und am Ende vom Bundestag gebilligt werden müssen.

»Das öffentliche Austauschen von Briefen ist ein Ritual, bei dem alle Beteiligten verlieren«, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem Magazin »Spiegel«. »Es schwächt das Ansehen der Absender, es nervt die Bürger, und es löst keine Probleme.«

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte im Namen der grün geführten Ministerien mehr staatliche Einnahmen angeregt, Kürzungen bei umweltschädlichen Subventionen und Verbote ins Spiel gebracht. Finanzminister Christian Lindner hingegen lehnte stellvertretend für die FDP-geführten Ressorts Steuererhöhungen oder sonstige »strukturelle Mehrbelastungen« für Bürger und Wirtschaft ab. Ein entsprechender Briefwechsel der beiden war am Donnerstag öffentlich geworden.

Klärung nicht »auf dem Postweg« möglich?

Wie die im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte umgesetzt werden sollten, müsse nun geklärt werden, sagte Kühnert. »Wie genau wir das tun, werden wir nur im vertraulichen Gespräch miteinander klären können – nicht auf dem Postweg.« SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz sagte dem »Spiegel«: »Ich verstehe nicht, warum zwei Minister, die voneinander die Handynummer haben, nicht miteinander sprechen und stattdessen zum Briefwechsel greifen.«

Derzeit laufen die Verhandlungen über die Fortschreibung der Eckwerte und den Haushalt 2024, der eine Obergrenze von rund 424 Milliarden Euro vorsieht. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist insbesondere der FDP wichtig, und auch Habeck betonte in seinem Schreiben ausdrücklich, die Grünen stellten die Regelung nicht infrage. Strittig ist allerdings zwischen Grünen und FDP, wie der Bund innerhalb dieser Grenzen wirtschaften soll. Die Ministerien haben zusätzliche Wünsche in Milliardenhöhe.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hielt sich zurück. Er wolle dies nicht weiter bewerten, erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin auf eine Frage nach dem teils scharfen Ton des Briefwechsels. Er betonte insbesondere, dass die Bundesregierung sich einig sei, was die Einhaltung der Schuldenbremse angehe, die dem Bund nur in geringem Maße die Aufnahme neuer Kredite erlaubt. Man wolle keine Wasserstände zum Stand der Gespräche wiedergeben.

Streit um Steuererhöhungen

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der »Rheinischen Post« (Freitag): »In der derzeitigen angespannten Situation nun über Steuererhöhungen zu reden, wäre Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland.« Und: »Wir müssen im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse bei den Ausgaben stark priorisieren, um den gestiegenen Anforderungen beispielsweise im Verteidigungs- oder im Bildungsbereich Rechnung tragen zu können.«

Verteidigungsminister Boris Pistorius bekräftigte vor dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz seine Forderung nach einer milliardenschweren Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Er werde alle Anstrengungen unternehmen, um über das jährliche Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinauszugehen, sagte der SPD-Politiker am Freitag in München.

Die oppositionelle Union warnte derweil vor einem »Wunschkonzert« bei künftigen Ausgaben. »Die Zeiten weiterer Schuldentöpfe sind vorbei, und damit schwindet der Kitt, der das rot-gelb-grüne Bündnis bislang zusammengehalten hat«, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Union, Christian Haase (CDU), der »Rheinischen Post« (Freitag). Wer ehrlich die Schuldenbremse einhalten wolle, dem werde dies ohne Prioritätensetzungen im Etat nicht gelingen. Mit Blick auf mehr Geld für die Bundeswehr sagte Haase, dies könne gelingen, wenn man den Mut zum Umwidmen von Mitteln habe, die im Haushalt ungenutzt schlummerten - zum Beispiel im Klima- und Transformationsfonds.

Auch wenn sich Habeck und Lindner in ihrem kühl formulierten Briefwechsel zur Haushaltspolitik mit »Sehr geehrter Herr Kollege« anschreiben, sind sie eigentlich per Du. Das stamme noch aus der Zeit, als Habeck Grünen-Chef gewesen sei, sagte Lindner der österreichischen Tageszeitung »Die Presse« (Samstag). »Und daran haben wir fraglos festgehalten. Den Brief neulich hat er im Sie-Ton verfasst. Ich habe deshalb auch per Sie geantwortet.«

© dpa-infocom, dpa:230217-99-628974/11