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Ampel-Koalition einigt sich bei Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung kann kommen. Die Einigung der Ampel-Koalition erfolgte nach einer stundenlangen Nachtsitzung mit Kanzler Scholz. Doch es könnten noch Änderungen anstehen.

Ampel-Koalition
Die Ampel-Koalition hat sich über die Eckpunkte der Kindergrundsicherung geeinigt. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Die Ampel-Koalition hat sich über die Eckpunkte der Kindergrundsicherung geeinigt.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

Sie war der Grund für monatelangen Zoff zwischen Grünen und FDP: Nun hat sich die Ampel-Koalition kurz vor der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg bei der Kindergrundsicherung geeinigt. Zum Teil seien es »wirklich sehr harte Verhandlungen« gewesen, sagte Familienministerin Lisa Paus bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. »Aber es hat sich gelohnt.« Laut der Grünen-Politikerin werden für die Einführung der Kindergrundsicherung im Jahr 2025 zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt.

Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekämen die Leistungen schneller, einfacher und direkter, sagte Paus. Das Ergebnis sei die umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren. Aus Regierungskreisen hieß es, dass bei steigender Inanspruchnahme der Leistungen der Kindergrundsicherung die Kosten in den Folgejahren auch auf bis zu sechs Milliarden Euro steigen könnten.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht davon aus, dass der Bund nach der Kindergrundsicherung mehrere Jahre keine weitere große Sozialreform mehr finanzieren kann. Die Kindergrundsicherung werde 2025 rund 400 Millionen Euro mehr kosten als bisher geplant. »Das erhöht den Handlungsbedarf, den wir im Haushalt 2025 haben werden, weiter«, sagte er. »Weshalb ich die Prognose wage, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.«

Grüne und FDP hatten monatelang heftig über die Finanzierung gestritten und sich in der Nacht zum Montag schließlich geeinigt. Familienministerin Paus wollte zuerst 12 Milliarden Euro pro Jahr für das Vorhaben. Finanzminister Lindner nannte als »Merkposten« eine Summe von nur 2 Milliarden Euro.

Änderungen möglich

Am Sonntagabend waren Kanzler Olaf Scholz (SPD), Paus und Lindner zu Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen und hatten sich geeinigt. Lindner hatte zuvor im ZDF-»Sommerinterview« gesagt, dass er mit einer schnellen Einigung auf Eckpunkte rechne. Danach würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies darauf hin, dass noch Änderungen im parlamentarischen Verfahren möglich seien. Parlament und auch SPD-Fraktion würden das ein oder andere am Gesetzentwurf möglicherweise »präzisieren«, sagte Mützenich am Montag im ARD-»Morgenmagazin«.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag sollen darin gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen.

Bundeskanzler Scholz begrüßte die Verständigung, wie der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte. Scholz sei sich sicher gewesen, bis Ende August zu einer Einigung zu kommen, und das sei so gelungen.

Kritik von Kinderschutzorganisationen

Kinderschutzorganisationen und Sozialverbände sind hingegen unzufrieden mit der Einigung. »Das, was die Bundesregierung vorschlägt, ist enttäuschend. Das ist keine Kindergrundsicherung«, kommentierte die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk befand, dass die Einigung hinter den Erwartungen zurückbleibe.

Auch der Paritätische Gesamtverband und der Sozialverband VdK bezeichneten die vereinbarte Kindergrundsicherung als enttäuschend. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge äußerte sich gar »entsetzt«. Übrig geblieben sei eine »Schrumpfversion«, kritisierte Butterwegge. »Wenn die Kindergrundsicherung bloß ein paar kindbezogene Leistungen des Staates zusammenführt, die bisher separat zu beantragen sind, sich teilweise überschneiden und einzeln ausgezahlt werden, bringt die Reform keine finanzielle Verbesserung für das Gros der armen Familien.«

© dpa-infocom, dpa:230828-99-983236/13