Die Ampel-Koalition hat sich beim Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in der Nacht in Berlin aus Koalitionskreisen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner ging bereits zuvor von einer schnellen Einigung auf Eckpunkte im Ampel-Streit über die geplante Kindergrundsicherung aus. »Ich rechne damit, dass wir sehr kurzfristig eine Einigung über die Eckpunkte haben, was getan werden soll«, sagte der FDP-Vorsitzende im ZDF-»Sommerinterview« in Berlin vor einer neuerlichen Verhandlungsrunde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Nachmittag in Berlin. Scholz hatte zuvor deutlich gemacht, dass er den Streit in wenigen Tagen beilegen will. Die Gespräche dauerten am Abend dem Vernehmen nach an.
Lindner ergänzte auf die Nachfrage der Moderatorin Shakuntala Banerjee, ob es die Eckpunkte bis zur Kabinettsklausur an diesem Dienstag und Mittwoch geben werde: »Ich will jetzt nicht selber Termine nennen, sondern ich sage: sehr rasch. Aber danach gibt es ja auch sehr viel technisch, was noch geklärt werden muss.« Dann würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe. »Wir werden rasch eine grundlegende Einigung und Verständigung auf die Eckpunkte haben. Das gesamte Verfahren wird noch etwas brauchen«, betonte der Finanzminister.
Scholz hatte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (»Passauer Neue Presse«, »Mittelbayerische Zeitung«, »Donaukurier«) Ende dieser Woche gesagt: »Die Bundesregierung wird bis nächste Woche klären, wie die Kindergrundsicherung konkret ausgestaltet wird.« Der Kanzler ergänzte: »Parallel dazu braucht Deutschland ein flächendeckendes Angebot an Krippen und Kitas, möglichst ohne Gebühren. Darin unterstützen wir die Länder in einem Bund-Länder-Programm, damit das vorangeht.«
Streit in der ersten Sitzung nach der Sommerpause
In der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause war der Streit über die Kindergrundsicherung eskaliert. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte das Gesetz für mehr Wirtschaftswachstum von Lindner blockiert, weil sie die Finanzierung ihres Projekts Kindergrundsicherung noch nicht gesichert sah. Am Dienstag wollen Scholz und seine 16 Minister auf Schloss Meseberg bei Berlin zu ihrer fünften Kabinettsklausur zusammenkommen.
Lindner sagte im ZDF mit Blick auf den Streit über die Kindergrundsicherung, es gebe »keine Krisengespräche zu dem Thema, sondern es gibt Arbeitsgespräche, ein Vorhaben zu konkretisieren«. Er hoffe, »dass wir sehr bald erreichen, dass die bestehenden Leistungen für Kinder zusammengeführt werden und dass alle, die ein Recht haben, sie erhalten.« Er hoffe jedoch auch, dass man einen klaren Anreiz setze, dass sich Menschen um Arbeit und Integration bemühen müssten. »Und wenn das gelingt, wird es ein gutes Vorhaben.«
Mit einem Machtwort des Kanzlers in der Frage rechnet Lindner offenbar nicht. Auf eine entsprechende Frage sagte er: »Es kann in der Demokratie keine Machtworte geben, weil man kommt zusammen für gemeinsame Vorhaben. Und es geht ja darum, Gutes für unser Land zu bewirken.« Es gehe darum, die Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. In Deutschland bestimmt die Herkunft und das Elternhaus immer noch sehr stark den Platz, den man im Leben einnehme. »Das muss verändert werden. Der Schlüssel dafür ist aber Bildung, ist Integration, ist Sprachförderung.«
Seine Position sei eindeutig, sagt der Finanzminister
Lindner betonte, eine fünfköpfige Familie, die nicht arbeite, bekomme gut 37.000 bis 38.000 Euro vom Steuerzahler. Dabei gehe es nicht mehr um Notfallversorgung, »sondern da ist das Existenzminimum gesichert bei denen, die nicht arbeiten«. Es werde der Eindruck erweckt, dass es um Verelendung gehe. »Das gibt es in unserem Sozialstaat nicht, sondern wir engagieren uns bereits sehr stark mit vielen, vielen Milliarden Euro.«
Seine Position sei eindeutig, sagte der Finanzminister: »Was das Absicherungsniveau mit Geldtransfer angeht, haben wir das Wesentliche in Deutschland bereits getan. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass Menschen arbeiten.« Und auf der anderen Seite müsse dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche eine gute Ausbildung bekämen und dass sie soziale Teilhabe hätten - etwa bei einem Schulausflug.
Lindner betonte mit Blick auf Paus, er habe »keine Konfrontation in die Öffentlichkeit getragen«, der Streit sei nicht von ihm ausgegangen. Er habe darauf hingewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen Kinderarmut und Einwanderung nach Deutschland gebe. »Das sind die nüchternen Zahlen.« Dies habe zu einer Reaktion geführt: »Manche wollten ja die Zahlen nicht glauben oder nicht die Zahl in der Öffentlichkeit thematisieren. Aber diesen Zusammenhang muss man ansprechen.« Zum anderen bitte er um Vertragstreue: »Im Koalitionsvertrag ist nichts über eine weitere Leistungsausweitung im Sinne von finanziellen Transfers gesagt.«
Auf den Vorhalt, es gebe den Eindruck, das Regierungsprinzip sei mittlerweile ein maximales Gegeneinander, räumte Lindner ein: »Der öffentliche Eindruck ist nicht zufriedenstellend.« Man könne aber über Dinge wie Kindergrundsicherung und Klimaschutz nur sprechen, wenn es ein starkes wirtschaftliches Fundament gebe.
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