Nach der Einigung im wochenlangen Haushaltsstreit haben die Spitzen der Ampel-Koalition die soziale Verträglichkeit ihres Kompromisses betont. Mit Blick auf die Auswirkungen des vereinbarten höheren CO2-Preises sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) davon, dass es beim Benzinpreis »sehr geringe zusätzliche Belastungen« gebe.
Er, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hoben hervor, dass es im Bundeshaushalt 2024 zugleich bei den geplanten Steuerentlastungen bleibe. Wirtschaftsexperten und Verbände kritisierten hingegen, dass das versprochene Klimageld als Sozialausgleich für steigende Klimaschutz-Belastungen immer noch nicht kommt.
Entlastungen und sehr geringe Belastungen
Scholz hob hervor, dass die beschlossenen Lohn- und Einkommensteuer-Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro bestehen blieben. »Bei denen bleibt's. Und das betrifft kleine, mittlere Einkommen«, sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung »Farbe bekennen«.
Lindner betonte im »ZDF-Spezial«, dass es »für die breite Mitte der Bevölkerung deutlich spürbare Entlastungen ab dem 1.1. nächsten Jahres gibt«. Wirtschaftsminister Habeck sagte im ZDF-»Heute Journal«: »Es ist nicht nur alles Be-lastung, sondern wir verteidigen auch die Ent-lastung.« Er wies darauf hin, dass der Staat den Stromkunden weiterhin die Kosten der Umlage zur Ökostrom-Förderung (EEG-Umlage) abnimmt.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sprach deshalb im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auch von einem »Entlastungshaushalt« für die arbeitende Bevölkerung und die Wirtschaft.
CO2-Verteuerung: Kostenanstieg bei Energie
Die sehr geringen Zusatz-Belastungen beim Benzinpreis, von denen Scholz spricht, resultieren daraus, dass der Preis für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) stärker angehoben wird als zunächst geplant: von 30 Euro je Tonne CO2 auf nun 45 statt nur 40 Euro. Damit verteuern sich unter anderem Sprit, Erdgas und Heizöl, um wie viel ist schon berechnet worden.
Der ADAC gibt die zusätzliche Belastung bei Benzin und Diesel mit 1,4 bis 1,6 Cent je Liter an (einschließlich bereits beschlossener Anhebung von 2023 auf 2024: rund 4,3 bzw. 4,7 Cent). Beim Gas-Bezug bedeutet das nach Berechnung des Vergleichsportals Check24 für einen Haushalt mit 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch nun eine Zusatz-Belastung von 20 Euro (insgesamt gegenüber 2023: 60 Euro mehr).
Hinzu kommt, dass der Bundeszuschuss zu den Stromnetz-Kosten gestrichen wurde, so dass die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzentgelte steigen - bei einem Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Jahresverbrauch laut Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz um 60 Euro.
Kritik von außen
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm appelliert deshalb an die Ampel, zum Ausgleich die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Zahlung eines Klimagelds an die Bürger einzuführen. »Das wäre eine sehr wichtige Maßnahme, um Akzeptanz für den Klimaschutz zu schaffen«, sagte sie dem Sender Welt TV. Menschen mit wenig Einkommen würden davon besonders profitieren: Sie hätten in der Regel einen kleinen CO2-Fußabdruck, würden pro Kopf aber so viel zurückbekommen wie alle anderen auch.
Ähnlich sieht es der Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller. »Dass der CO2-Preis steigt, ist etwas, das Ökonomen schon lange empfohlen haben, um die Klimaschutzziele effizient zu erreichen«, sagte er dem MDR. Dass der Sozialausgleich aber fehle, sei »ein Mangel«.
Auch der Sozialverband VdK fordert, das noch zu ändern. »Eine Erhöhung des CO2-Preises ist unsozial«, sagte VdK-Chefin Verena Bentele dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Deshalb muss das Klimageld kommen, damit Menschen mit kleinem Geldbeutel nicht übermäßig belastet werden.«
Und auch die CDU-Politikerin Gitta Connemann kritisiert die Haushaltspläne der Ampel-Koalition. »Diese Regierung hat 28 Tage gebraucht, um am Ende einen Minimalkompromiss hinzubekommen«, sagte sie im ZDF. »Allerdings auf Kosten der Bürger und Betriebe.« Die Ampel habe jetzt einen Kompromiss vorgelegt und rette sich damit über den Winter. »Sauber ist dieser Haushalt nach wie vor nicht«, kritisierte Connemann.
Linken-Chef Martin Schirdewan fordert Nachverhandlungen zum Bundeshaushalt 2024. »Die Einigung zum Haushalt ist eine Katastrophe«, sagte Schirdewan der Deutschen Presse-Agentur. »Offenbar leidet diese Bundesregierung inzwischen unter gefährlichem Realitätsverlust und bekommt gar nicht mehr mit, was im Land los ist.«
Karlsruher Urteil: Neuer Haushalt nötig
Die Spitzen der Koalition hatten sich nach wochenlangem Streit am frühen Mittwochmorgen geeinigt. Nötig geworden war die neue Etatplanung, weil nach einem Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt von 2021 die alte Planung mit Sondervermögen als nicht mehr verfassungsgemäß galt. Damit fehlten der Koalition für 2024 rund 30 Milliarden Euro.
Eckpunkte der Lösung
- Schuldenbremse: Sie soll 2024 zunächst nicht ausgesetzt werden, es soll aber eine Ausnahme für die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal geprüft werden. Auch für den Fall einer veränderten Lage in der Ukraine behält sich die Ampel das spätere Aussetzen und das Aufnehmen zusätzliche Kredite vor.
- Milliardenzuschüsse für Industrieprojekte in Ostdeutschland wie die Chipfabrik von Intel bei Magdeburg: Daran will die Ampel festhalten - ebenso wie am Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft.
- CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien: Dieser soll zum 1. Januar 2024 nicht wie bisher geplant auf 40 Euro pro Tonne steigen - sondern auf 45 Euro und 2025 dann auf 55 Euro.
- Entgelte für die Stromnetze: Der 5,5-Milliarden-Euro-Bundeszuschuss wird gestrichen. Strom wird also teurer.
- E-Auto-Förderung: Sie soll früher enden - wann, ist offen.
- Energiesteuer: Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel sollen abgeschafft werden.
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