Die Feministin Alice Schwarzer wünscht sich vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gemäßigtere Töne. »Ich bedauere, dass Selenskyj nicht aufhört zu provozieren«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in München bei der Vorstellung des Dokumentarfilms »Alice Schwarzer«.
Würde Bundeskanzler Olaf Scholz der Einladung Selenskyjs folgen und am 9. Mai nach Kiew reisen, wäre das eine »Provokation ohne Gleichen«. An dem Tag feiert Russland den sowjetischen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg.
Schwarzer steht seit Tagen wegen eines offenen Briefes an Scholz in den Schlagzeilen, in dem sie sich aus Furcht vor einer Ausweitung des Krieges mit anderen Intellektuellen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausspricht.
»Ich würde mir doch ein bisschen nuanciertere Töne auch aus der Ukraine wünschen«, sagte Schwarzer und betonte: Wenn man die offizielle Politik des Präsidenten »zum Teil fragwürdig« fände, bedeute das nicht, dass man nicht mit dem Land fühle oder die Opfer ignoriere - »ganz im Gegenteil«.
Mit dem offenen Brief in der Zeitschrift »Emma«, den auch Martin Walser, Juli Zeh und Gerhard Polt unterzeichnet haben, sei die Debatte über das Pro und Contra der Waffenlieferungen hierzulande voll entbrannt. Denn die Hälfte der Menschen in Deutschland sehe die Lieferung schwerer Waffen laut Umfragen kritisch. »Unser offener Brief hat den Pfropfen aus der Flasche gehauen. Dadurch ist jetzt die Debatte einfach voll losgegangen und das ist gut. Denn über so lebenswichtige Fragen muss man reden.« Den Brief haben mittlerweile rund 250.000 Menschen unterschrieben. »Es gibt wenig in meinem Leben, was so viel Sinn gemacht hat, wie das Initiieren dieses offenen Briefes.«
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