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Alarmsignal nach rechten Anfeindungen an Schule

Zwei Lehrer aus dem Spreewald schreiben einen Brandbrief und berichten von rechtsextremen Vorfällen an ihrer Schule. Nun haben sie eine Entscheidung gefällt, die aufhorchen lässt.

Zwei Brandbrief-Lehrer aus Burg
Der Lehrer Max Teske und seine Kollegin Laura Nickel haben einen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule veröffentlicht. Foto: Patrick Pleul/DPA
Der Lehrer Max Teske und seine Kollegin Laura Nickel haben einen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule veröffentlicht.
Foto: Patrick Pleul/DPA

Der Rückzug zweier Lehrer von ihrer Schule im Spreewald wegen rechter Anfeindungen hat in Brandenburg für Bestürzung gesorgt. Neben strafrechtlichen Ermittlungen soll der Kampf gegen Rechtsextremismus verstärkt werden.

»Ob auf der Straße, in Vereinen, Schulen oder Betrieben: In Brandenburg darf es keinen Ort geben, in denen Rechte Ängste schüren und Andersdenkende vertreiben wollen«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Und er betonte: »Allen, die sich mit Engagement und mutig dem Rechtsextremismus entgegenstellen, gilt unsere Unterstützung.«

Folgenreiches Schreiben

Damit bezog er sich auf die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel. Sie hatten im April in einem Brandbrief öffentlich gemacht, dass sie an ihrer Schule in Burg im Spreewald täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Das Schreiben löste eine Debatte aus, die auch bundesweit verfolgt wurde.

Die Lehrerin und der Lehrer waren danach zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. In dem Ort waren in den vergangenen Tagen Aufkleber zu sehen, auf denen ein Foto der beiden zu sehen war, darunter stand: »#'pisst Euch nach Berl*in«. Beide wurden zudem in einem sozialen Netzwerk bedroht. Am Mittwoch wurde bekannt, dass nun beide die Schule verlassen.

Die Vorfälle sind in Brandenburg kein Einzelfall. Die Schulämter meldeten seit Bekanntwerden der rechtsextremen Taten in Burg mehr solcher Fälle. Und die Zahl politisch motivierter rechter Straftaten in Brandenburg insgesamt stieg im ersten Halbjahr dieses Jahres nach vorläufigen Zahlen des Innenministeriums um ein Drittel auf 1049.

Bundespräsident schaltet sich ein

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht einen indirekten Zusammenhang zwischen den rechtsextremen Vorfällen in Burg und den jüngsten AfD-Wahlerfolgen. Es gebe einen Zusammenhang insofern, als dass die Vorteile einer Demokratie nicht überall wertgeschätzt würden, sagte Steinmeier bei einem Besuch in Werder/Havel. Man müsse wieder mehr Menschen davon überzeugen, dass die Demokratie nicht vom Himmel gefallen sei.

»Dass diejenigen, die sich rechtsextremem Hass entschlossen entgegenstellen, mehr und mehr selbst zum Ziel rechter Gewalt werden, ist alarmierend«, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan. »Neben einer nachhaltigen Stärkung demokratischer und antifaschistischer Strukturen« gelte es, die Betroffenen besser zu schützen. In der geplanten Reform des Melderechts werde die Ampel-Koalition daher die Möglichkeit von Auskunftssperren vereinfachen. Ist eine solche Sperre eingetragen, erteilt die Meldebehörde keine Auskunft über die Adresse. Die Hürden für eine solche Sperre sind allerdings bislang relativ hoch. Sie muss zudem alle zwei Jahre neu beantragt werden.

In Brandenburg wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt, in der jüngsten Umfrage des Instituts Insa für »Bild« kam die AfD bei der Sonntagsfrage auf 28 Prozent - vor der SPD mit 21 Prozent. Der Verfassungsschutz stufte den AfD-Landesverband dort 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, die AfD-Jugend Junge Alternative gilt seit Mittwoch gesichert rechtsextremistisch.

Bündnis kritisiert Politik

Wegen der Bedrohungen aus der rechten Szene gegen die beiden Lehrkräfte prüft das Staatliche Schulamt Cottbus Strafanzeigen gegen unbekannt. »Dass Beamte oder Angestellte des Landes bedroht werden, ist inakzeptabel«, sagte Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.

Das Schulamt sei in der Schule nach dem Brandbrief sofort tätig geworden. Es habe Gespräche mit Betroffenen, Eltern, Lehrern und Schülern gegeben. Die beiden hätten sich vor ihrer Entscheidung, die Schule zu verlassen, in der Sache aber weder an ihn noch an das Schulamt gewandt.

Die beiden Lehrkräfte gründeten im Frühjahr mit einem Pfarrer das Bündnis »Schule für mehr Demokratie«. Am Donnerstag kritisierte das Bündnis, Teske und Nickel seien von der Landespolitik und der Schule nicht ausreichend unterstützt worden. Auch die Lehrergewerkschaft GEW hält eine weitere Aufarbeitung für nötig. Solche rechtsextremen Vorfälle seien aber kein Problem der Schule allein. Vielmehr seien die rechten Tendenzen eine Folge der gesellschaftlichen Entwicklung.

Der Verein Opferperspektive warnte: »Das Problem, das Burg mit der extremen Rechten hat, verschwindet nicht, wenn niemand mehr da ist, um es zu thematisieren.«

© dpa-infocom, dpa:230713-99-393348/3