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AKW in Reserve: Habeck weist Zweifel an Machbarkeit zurück

Der Vorschlag des Wirtschaftsministers für einen Reservebetrieb von Atomkraftwerken sorgt für Streit. In einem Brief zweifelt ein Betreiber die technische Machbarkeit an. Habeck weist das zurück.

Robert Habeck
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) äußert sich bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Bundesregierung. Foto: Bernd von Jutrczenka
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) äußert sich bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Bundesregierung.
Foto: Bernd von Jutrczenka

In der Debatte über die Laufzeit der letzten drei Atomkraftwerke hat Wirtschaftsminister Robert Habeck Zweifel an der technischen Machbarkeit eines Reservebetriebs der bayerischen Anlage Isar 2 zurückgewiesen. Anlass für die Entgegnung war ein Brief des Betreibers an Staatssekretär Patrick Graichen vom Dienstag. Darin hatte Preussenelektra-Chef Guido Knott den Vorschlag des Ministeriums, zwei der drei noch bis Jahresende laufenden Kernkraftwerke danach in eine Reserve zu überführen, als »technisch nicht machbar« bezeichnet. Der Vorschlag sei daher »ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern«, zitierte der »Spiegel« aus dem Brief. »Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen«, so Knott laut »Spiegel«.

Habeck »verwundert« über Brief von AKW-Betreiber

Habeck äußerte sich verwundert. Der Grünen-Politiker warf dem Konzern vor, das Konzept der Notfallreserve nicht verstanden zu haben: Ein Hoch- und Herunterfahren der Anlagen sei nicht geplant. Vorgesehen sei vielmehr »einmal zu entscheiden, ob man die Kraftwerke braucht oder nicht«. Das könne im Dezember, Januar oder Februar geschehen. »Das ist offensichtlich an den Technikern von Preussenelektra vorbeigegangen.« Zudem verwies Habeck auf einen früheren Brief des Energiekonzerns vom August, in dem dieser mitgeteilt habe, dass es auch im Fall eines längeren Streckbetriebs einen kurzfristigen Stillstand brauche. Nach Habecks Darstellung widersprechen sich diese Angaben des Konzerns.

Nun solle in neuen Gesprächen geklärt werden, was gelte, sagte der Wirtschaftsminister. Er wies darauf hin, dass auch bei einem Streckbetrieb, »also dem offensichtlichen Wunsch von Preussenelektra«, eine Revision nötig gewesen wäre. Preussenelektra gehört zu Deutschlands größtem Energiekonzern Eon.

Auch die FDP zeigt sich skeptisch

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, erklärte: »Robert Habecks Vorschlag hält einer vertieften fachlichen Prüfung offenkundig nicht stand.« Kernkraftwerke seien kein Experimentierfeld für grüne Wahlkampferfolge. Die Regierung müsse nun ein neues Konzept präsentieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. An einer Verlängerung der Laufzeiten führe kein realitätsnaher Weg vorbei. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger nannte die Ablehnung des Reservebetriebs durch Preussenelektra einen »Super-GAU für die Bundesregierung«. »Deutschland steht wegen grün-ideologischer Politik vor der politischen Handlungsunfähigkeit und einem wirtschaftlichen Desaster«, erklärte der Freie-Wähler-Politiker.

Ein Eon-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht näher zum Brief von Preussenelektra an das Ministerium (BMWK) äußern. »Wir haben am Montagabend kommuniziert, dass Kernkraftwerke in ihrer technischen Auslegung keine Reservekraftwerke sind, die variabel an- und abschaltbar sind. Sie können davon ausgehen, dass wir hierzu im engen Austausch mit dem BMWK sind, um eine umsetzbare Lösung zu finden«, sagte er.

Um diese Kernkraftwerke geht es

Laut den Plänen des Bundesministeriums soll auch das Kernkraftwerk Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg in eine Reserve übergeführt werden. Nach Bekanntwerden des Preussenelektra-Briefs erklärte ein dortiger Sprecher: »Wir sind aktuell im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zur Klärung der konkreten Details und unserer Fragen.« Erst danach könne man die technische und organisatorische Machbarkeit bewerten. »Wir bitten um Verständnis, dass wir uns bis dahin an öffentlichen Debatten nicht beteiligen.«

© dpa-infocom, dpa:220907-99-667947/3