Die AfD-Bundesspitze hat den Regierungsparteien vorgeworfen, den Verfassungsschutz politisch zu missbrauchen - und Widerstand gegen die Beobachtung durch den Geheimdienst angekündigt. »Wir lassen uns als Alternative nicht kaputtmachen«, sagte Parteichef Tino Chrupalla am Samstag in Stuttgart auf dem Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg. Es handle sich dabei um den Versuch, die AfD zu diskreditieren und zu zersetzen, sagte Chrupalla der Deutschen Presse-Agentur. Das sei im demokratischen Europa ein absoluter Sonderweg, klagte er. Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz und seit kurzem auch vom Verfassungsschutz im Südwesten als Verdachtsfall beobachtet.
Weidel: Man will die AfD mundtot machen
Man werde nicht tatenlos zusehen, wie man die AfD ausgrenzen und mundtot machen wolle, sagte auch Co-Bundesparteichefin Alice Weidel zur Eröffnung des Parteitags in Stuttgart. Weidel war zweieinhalb Jahre Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, wollte am Samstag aber nicht erneut antreten. Es sei nicht verfassungswidrig, das »Versagen der etablierten Parteien« anzuprangern, sagte sie. Es sei sogar Pflicht der Opposition, solche Versäumnisse aufzuzeigen. Die Regierungsparteien aber entfernten sich immer weiter vom Demokratieprinzip. Man werde sich politisch und juristisch gegen die Beobachtung durch den Geheimdienst zur Wehr setzen, sagte Weidel.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte erst am Donnerstag angekündigt, dass die Partei künftig auch im Südwesten beobachtet werde. Die Behörde sieht demnach »hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte« für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD Baden-Württemberg. Die Geheimdienstler dürfen die Rechtspopulisten damit genauer unter die Lupe nehmen und unter strengen Voraussetzungen Mitglieder observieren, Telefone überwachen sowie Informanten anwerben.
»Unsere Häuser werden beschmiert, Autos angezündet«
Weidel nannte den Vorgang »ungeheuerlich«. Wo sonst in westlichen Demokratien gebe es einen Inlandsgeheimdienst, der von der Regierung eingesetzt werde, um die Opposition zu »infiltrieren und schlecht zu machen«, fragte sie. Sie kritisierte eine »Stigmatisierung mit gleichzeitigem Terror«: »Unsere Häuser werden beschmiert, Autos angezündet aus dem linksextremistischen Milieu - auch da würde ich mir mal einen Rechtsstaat wünschen, der dagegen vorgeht.«
Der Landesverband stritt am Samstag in der Stuttgarter Messe stundenlang über die Finanzen der Organisation, es ging um Berichte von Schatzmeistern und Rechnungsprüfern, um angeblich fehlende Belege und die Bewertung von Immobilien. Bis in den Nachmittag war der Landesvorstand noch nicht entlastet.
Weidel will nicht mehr für den Vorsitz antreten, weil sie sich auf ihre Berliner Ämter konzentrieren will. Weiter geht ein Riss durch die Südwest-Partei. Ein Teil der Mitglieder steht für einen eher gemäßigten, rechtskonservativen Kurs. Der andere Teil sympathisiert mit dem mittlerweile als rechtsextrem eingestuften »Flügel«, der eigentlich aufgelöst ist - der aber laut Verfassungsschutz immer noch strukturellen und nennenswerten Einfluss auf den Landesverband hat.
Hess will Weidels Nachfolger in Südwest werden
Martin Hess, Polizist und Bundestagsabgeordneter, will Weidels Nachfolger werden. Er sieht sich selbst einer gemäßigten Strömung in der Partei zugehörig, steht Weidel nahe und ist bereits Vorstandsvize im Landesverband. Ebenfalls für den Vorsitz im Südwesten kandidieren wollte Dirk Spaniel, ein weiterer Bundestagsabgeordneter - aber mit anderer Ausrichtung. Ihm wurde in der Vergangenheit immer wieder eine Nähe zum völkisch-nationalen »Flügel« nachgesagt.
Nach den Vorstandswahlen wollen sich die Mitglieder in Stuttgart zahlreichen Anträgen widmen. In der Südwest-AfD gibt es etwa Pläne, sich an lokalen Print- und Onlinemedien zu beteiligen, um sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. In einem Antrag unter anderem von den Landesvorstandsmitgliedern und Bundestagsabgeordneten Hess, Markus Frohnmaier und Marc Jongen wird der Vorstand aufgefordert, eine Beteiligung an lokalen Print- und Onlinemedien zu prüfen. Das wird mit der »zunehmend feindseligen Medienlandschaft« begründet. Wie ein solches Vorhaben finanziert werden soll, ist allerdings unklar.
Weidel: Ich werde in keine Talkshows eingeladen
Auch Weidel schloss auch nicht aus, dass sich die AfD bei bestehenden Medienhäusern einkaufen könnte. Das komme auf den Preis an, sagte sie. »Wir kommen nirgends vor, ich werde in keine Talkshows eingeladen - das kann nicht sein«, sagte sie der dpa. Die AfD müsse sich deshalb Gedanken machen, alternative Medienkanäle zu gründen und zu unterstützen. »So geht es nicht weiter.« Die ganze »Journaille« sei »grün-links besetzt«, komme ihrem kritischen Auftrag als vierte Kraft in der Demokratie nicht mehr nach und sei nur noch »Sprachrohr der Regierungspartei«, kritisierte Weidel. Es gebe keine unabhängigen Medien mehr und keine kritische Berichterstattung, behauptete sie.
Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr hatte die AfD im Südwesten herbe Verluste hinnehmen müssen. Sie landete bei 9,7 Prozent - ein Minus von 5,4 Punkten.
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