BERLIN. Der von den etablierten Parteien befürchtete Triumph der AfD - vier Monate vor der Bundestagswahl - ist ausgeblieben. Ihren zweiten Platz hat die AfD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zwar verteidigen können.
Doch ohne prominente Gesichter und mit einem Wahlkampf, der vor allem auf Protest ausgerichtet war, hat es für mehr nicht gereicht. Es wäre wie ein Fanal gewesen, wenn die AfD in Sachsen-Anhalt beim letzten Stimmungstest vor der Bundestagswahl erstmals bei einer Landtagswahl vor der CDU gelegen hätte: Die dortige AfD kann vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.
AfD mit Ergebnis nicht unzufrieden
»Den Regierenden die Rote Karte zeigen - heute AfD wählen«, schrieb Partei-Vize Alice Weidel noch am Wahltag bei Twitter. Doch Parteichef Jörg Meuthen glaubt, dass das so nicht reicht. »Das Ergebnis ist insgesamt gut und respektabel«, sagt er kurz nach Schließung der Wahllokale. Immerhin sei die AfD in Sachsen-Anhalt klar als zweitstärkste Kraft bestätigt worden. Angesichts der »unübersehbar desolaten Verfassung der politischen Konkurrenz« - vor allem der CDU - wäre aber seiner Ansicht nach »mit einem stärker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden Wahlkampf auch ein noch deutlich stärkeres Ergebnis möglich gewesen«. Dies gelte es nun parteiintern zu analysieren.
Für die Spitzen der etablierten Parteien ist dieser Wahlsonntag wohl kaum mehr als eine kurze Atempause auf ihrem Langstreckenlauf zur Bundestagswahl am 26. September. Denn in den nun anstehenden Wahlkampfwochen geht es darum, ob die Union das Kanzleramt nach 16 Jahren Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigen kann. Oder ob Annalena Baerbock von den Grünen oder Vizekanzler Olaf Scholz von der in Umfragen aktuell weit abgeschlagenen SPD künftig die Regierung führt.
Aufatmen bei Laschet
Ein AfD-Sieg über die CDU in Sachsen-Anhalt wäre vor allem für CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet eine schwere Hypothek im Endspurt zur Bundestagswahl gewesen. Gut möglich, dass dann die unionsinterne Debatte über seinen Mitte-Kurs wieder aufgebrochen wäre. Und die Diskussion darüber, ob der nordrhein-westfälische Ministerpräsident mit seinem Vermittler- und Versöhner-Image tatsächlich der richtige Unionskandidat in der aktuell stark polarisierten politischen Landschaft ist.
Laschet hat die Union bei seiner Nominierung für Platz eins der NRW-Landesliste zur Bundestagswahl am Samstag beschworen, ihn geschlossen im Ringen um das Kanzleramt zu unterstützen. Er kam auf 97,5 Prozent der Stimmen - weil die CDU nur Ja- und Nein-Stimmen als gültig zählt, errechnete die Partei sogar 99,1 Prozent für ihn.
CDU-Strategen werteten den Wahlausgang am Sonntag auch als Hoffnungszeichen, dass die bei Impf-Fortschritt und Sommertemperaturen abflauende Corona-Pandemie sich in ihrem Sinne positiv auf die Stimmung der Wähler auswirken könnte. Gerade im Osten hatten sich die Wähler mit den Corona-Beschränkungen sehr schwer getan. Die Worte des Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, der von einer Art »Corona-Diktatur« sprach, fanden mancherorts durchaus Anklang.
Für Laschet könne das Signal von Magdeburg eine Bestätigung des Trends sein, dass sich nach den nervenaufreibenden Machtkämpfen um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur die Lage für die Unionsparteien etwas beruhigt. Auch wenn am Ende Haseloff gewonnen hat - Laschet selbst hatte sich im Wahlkampf weitgehend herausgehalten.
Laschet wird sich trotz des Wahlsiegs von Sachsen-Anhalt darauf einstellen, dass ihm das Thema Abgrenzung zur AfD den ganzen Wahlkampf über erhalten bleibt. Noch-Koalitionspartner SPD und die Opposition werden ihm genüsslich die Nominierung des Ex-Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, als Direktkandidat in Thüringen unter die Nase reiben. Maaßen findet, die CDU sei zu weit nach links abgedriftet. Auch auf die Wahl des als AfD-nah geltenden CDU-Mannes Max Otte zum Vorsitzenden der Werte-Union dürfte Laschet angesprochen werden - auch wenn diese Splittergruppe Ultrakonservativer keine offizielle Gruppierung der CDU ist.
Vor fünf Jahren hatte die AfD in Sachsen-Anhalt aus dem Stand 15 Direktmandate und 24,3 Prozent der Stimmen erreicht. Die SPD halbierte sich, die große Koalition verlor ihre Mehrheit. CDU, SPD und Grüne rauften sich zu Deutschlands erster Kenia-Koalition zusammen. Nachdem die AfD zwischenzeitlich in Umfragen gefährlich nah an die CDU herangerückt war, hielten die Christdemokraten die Populisten zuletzt doch deutlich auf Distanz.
FDP nach zehn Jahren Pause wieder im Landtag
In der CDU-Zentrale in Berlin wirkt Generalsekretär Paul Ziemiak erleichtert. Er verweist darauf, dass es der größte Zuwachs der CDU bei einer Landtagswahl seit der Wahl in NRW von 2017 gewesen sei. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagt hoffnungsfroh, auch der Sieg von Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Saar-Wahl 2017 habe Rückenwind für die Union bei der Bundestagswahl gebracht.
Grund zur Freude hat an diesem Wahlabend auch die FDP, die in diesem für sie eher schwierigen Bundesland nach zehn Jahren Pause jetzt wieder mit dabei ist. Links der Mitte ist in Sachsen-Anhalt dagegen aktuell offensichtlich wenig zu holen. Vor allem für die Linkspartei ist das Ergebnis niederschmetternd. (dpa)
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