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Abschied von Benedikt in Rom und Deutschland

In der Ewigen Stadt nehmen Gläubige Abschied von Benedikt - und auch in der bayerischen Provinz. An Trauermassen wie 2005 beim Tod von Johannes Paul II. ist jedoch nicht zu denken.

Trauer in München
Eine Frau betet in der Frauenkirche in München vor einem Bild des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. Foto: Katrin Requadt
Eine Frau betet in der Frauenkirche in München vor einem Bild des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI.
Foto: Katrin Requadt

Im rot-goldenen Papst-Gewand liegt Benedikt in der Klosterkapelle von Mater Ecclesiae, seinem Domizil bis zum Tod.

Hinter sich an der Wand Jesus am Kreuz, daneben ein geschmückter Christbaum, auf der anderen Seite eine Krippe. In den gefalteten Händen hält er einen Rosenkranz. Sein Gesicht ist blass, auf dem Kopf trägt er eine Mitra, die traditionelle Kopfbedeckung der Bischöfe. Zwei Bilder hat der Vatikan von dem aufgebahrten Leichnam von Benedikt XVI. am Neujahrstag veröffentlicht. Es sind Aufnahmen, die Ruhe und Frieden ausstrahlen.

Am Himmel über dem Vatikan ist keine Wolke zu sehen. Auf dem Petersplatz wuseln Touristen und Pilger umher, stehen in der Schlange für den Petersdom und schießen Selfies. Einen sonnigeren Neujahrstag hätte man sich in Rom nicht vorstellen können.

Benedikt im Alter von 95 Jahren gestorben

Dass der emeritierte Pontifex am Samstagmorgen im Alter von 95 Jahren starb, ist am Tag danach manchen Petersplatz-Besuchern offenbar noch nicht bekannt. »Machen Sie Witze?«, fragt eine junge Touristin aus Indien, während sie parallel ihr Handy zückt, um die Information im Internet zu suchen. »Ich hätte schwarze Fahnen erwartet. Nicht mal auf dem großen Bildschirm ist etwas zu sehen«, sagt ihr Begleiter aus Frankreich und deutet auf die große Anzeigentafel an den Kolonnaden.

Während der Neujahrsmesse zum Welttag für den Frieden spricht der amtierende Papst Franziskus mit einem Satz Benedikt an und bittet die Gottesmutter Maria, ihn auf seinem Weg zu Gott zu begleiten. Auch auch in der sonntäglichen Ansprache nach dem Mittagsgebet ruft er die Gläubigen auf, für den Verstorbenen zu beten.

Von Trauer um den gebürtigen Bayern ist auf dem Petersplatz nichts zu spüren - eine Beobachtung, die auch andere Besucher teilen. Lediglich die Aufbauarbeiten der Bühne für die Fernsehteams vor dem Platz lassen erahnen, dass Vorbereitungen auf ein großes Ereignis im Gange sind. Am Montag sollen auch die Gläubigen im Petersdom Abschied von Benedikt XVI. nehmen können, wenn er dort aufgebahrt wird. Am Donnerstag, 5. Januar, ist dann ein großer Trauergottesdienst auf dem Petersplatz und die anschließende Beisetzung in der Grotte der Basilika geplant - wie viele Menschen kommen werden, ist unklar.

Seit Rücktritt 2013 war es ruhiger um Benedikt geworden

Mit der Beisetzung von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2005 wird man Benedikts Requiem nicht vergleichen dürfen. Damals pilgerten Millionen Gläubige in die Ewige Stadt. Um Benedikt war es seit dem Rücktritt 2013 ruhiger geworden. Aber auch der Deutsche berührte viele Menschen. Nur Stunden nach seinem Tod am Silvestermorgen kommen Freunde und Vertraute in das Kloster in den Vatikanischen Gärten, im Halbkreis sitzen sie um den Verstorbenen und beten. »Er ist, wie man so sagt, entschlafen«, sagt einer der Anwesenden in dem Raum der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Die Worte klingen erleichtert.

Während in Rom die Vorbereitungen laufen für die Verlegung Benedikts in den Petersdom, steht in einem Zimmer im oberbayerischen Marktl am Inn eine weiße Rose auf schwarzem Samt. Eine Kerze spendet Licht. In dem Raum kam Joseph Ratzinger 1927 zur Welt. Jetzt herrscht Trauer, das Geburtshaus öffnet außerplanmäßig die Pforten. »Lieber Heiliger Vater, in dankbarer Erinnerung an persönliche Gespräche mit Ihnen sind wir in Trauer hierhergekommen«, schreiben Besucher in das Kondolenzbuch. Manche kommen von fern. Ein 61-jähriger Österreicher sagt, das sei wichtiger, als »irgendwelche Raketen zu zünden«.

Kurt und Annemarie Spennesberger haben sich nach der Todesnachricht im Allgäu auf den Weg nach Marktl gemacht, um ihm die Ehre zu erweisen. »Ich sehe ihn so, wie er gewesen ist, als Mensch. Kein Mensch ist ohne Fehler«, sagt Kurt Spennesberger zu Kritik an dem emeritierten Papst Benedikt XVI. nicht zuletzt im Zusammenhang mit dessen Rolle bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Durch Vorwürfe gegen Benedikt wegen des Umgangs mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising hatte sich zuletzt ein Schatten über sein Wirken gelegt. Mancherorts war unter anderem gar über eine Aberkennung von Ehrenbürgerwürden diskutiert worden.

Für Franziskus war Benedikt eine »so edle, so sanfte Person«. Er sei dankbar, dass Gott der Kirche den Mann aus Deutschland geschenkt habe. Und er danke Benedikt »für all das Gute, das er vollbracht hat, und vor allem für sein Zeugnis des Glaubens und des Gebets, besonders in diesen letzten Jahren, als er zurückgezogen lebte«, sagt der Papst an Silvester. »Die Einheit der Christenheit und der Dialog der Religionen, das Miteinander von Religion und Gesellschaft lagen ihm besonders am Herzen«, lobt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Totengebet im Kölner Dom

Im Kölner Dom versammelt sich Kardinal Rainer Maria Woelki mit dem Domkapitel zum Totengebet. Dompropst Guido Assmann erinnert an den Besuch Benedikts beim Weltjugendtag 2005, kurz nach der Wahl zum Papst. »Man konnte gut beobachten, wie der bescheidene Papst sich den Jugendlichen immer mehr zuwandte und sich in ihrer Mitte in Köln wohlfühlte.« Das Erlebnis in Köln soll Benedikt geradezu beflügelt haben. So hat es sein Privatsekretär Georg Gänswein immer erzählt.

Benedikt war in Rom im hohen Alter schon lange bereit, zum Schöpfer zurückzukehren. Am Ende wurde er immer schwächer, schon am Mittwoch wurde ihm das Sakrament der Krankensalbung gespendet. Einer, der ihm nahe stand, sagt: »Er war ein bayerischer Gentleman.«

© dpa-infocom, dpa:221231-99-63979/5