BERLIN. Nach Jahren sprudelnder Staatseinnahmen führt die Eintrübung der Konjunktur plötzlich zu einem 25-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt der nächsten Jahre.
Das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD) hat daher nun rote Linien gezogen - allerdings liegt ein Grund für die Finanzprobleme in immer neuen Projekten der großen Koalition. Neue Ausgaben sind nur noch durch Einsparungen an anderer Stelle möglich, für den Digitalpakt für Schulen kann kein weiteres Steuergeld bereit gestellt werden.
Man rechne mit rund fünf Milliarden Euro an geringeren Steuereinnahmen pro Jahr, heißt es in einer Vorlage von Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer an die anderen Ministerien, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Demnach fehlen Finanzminister Scholz in der mittelfristigen Finanzplanung 24,7 Milliarden Euro bis 2023. Im Einzelnen sind es für den Haushalt 2020 bisher 6,3 Milliarden Euro, für 2021 5,5 Milliarden, für 2022 rund 9,6 Milliarden und für 2023 3,3 Milliarden Euro. Ein Grund ist, dass die Wachstumsprognose für 2020 von 1,8 auf 1,0 Prozent nach unten korrigiert worden ist.
Eine Sprecherin von Scholz betonte, die »schwarze Null« stehe nicht zur Debatte. »Ein ausgeglichener Haushalt bleibt die klare Maßgabe bei der Haushaltsplanung des Bundes.« Daher gelte es, weiterhin »die richtigen Prioritäten« zu setzen. Weniger Wachstum bedeutet weniger Steuern von Unternehmen und auch weniger Lohnerhöhungen mit Auswirkungen bei den Lohnsteuereinnahmen.
Da die Regierung am Ziel der »schwarzen Null«, also keiner Aufnahme neuer Schulden, festhalten will, sind Koalitionskonflikte um das Geld vorprogrammiert. Gerade weil noch weitere Milliardenprojekte wie die Grundrente und der Kohleausstieg geplant sind. Mit Blick auf die Vorschläge der Kohlekommission, die vom Ausstieg betroffenen Regionen mit 40 Milliarden Euro zu unterstützen, wird betont: »Schlussfolgerungen aus der Umsetzung der Vorschläge der Kommission (...) können weitere deutliche Einsparvorgaben nach sich ziehen«.
Auch die Personalausgaben beim Bund sollen eingefroren werden, die Stellenzahl wird in diesem Jahr auf rund 198 000 steigen - und die Ausgaben bis 2020 auf rund 35 Milliarden Euro. Mit der klaren Warnung wird auch auf die bereits deutlich nüchterner ausgefallene letzte Steuerschätzung reagiert. Bis 2022 werden aber immer noch Staatseinnahmen von 907,4 Milliarden Euro im Jahr erwartet.
Scholz selbst hatte zu Jahresbeginn gesagt, die »fetten Jahre« seien vorbei. Für das kommende Jahr plant die Bundesregierung im Bundeshaushalt bisher mit Einnahmen und Ausgaben von 363,2 Milliarden Euro. Trotz Rekordeinnahmen bei den Steuern werden aber für die kommenden Jahre auch alle Mittel der sogenannten Asyl-Rücklage (Ausgaben unter anderem für Flüchtlinge) in der Ausgabenvorlage von Gatzer komplett verplant: Satte 35,2 Milliarden Euro. Dennoch gibt es nun auch noch das zusätzliche Loch von knapp 25 Milliarden Euro.
Damit dürften Forderungen wie von der Union nach einer Entlastung von Unternehmen oder der vollständigen Abschaffung des »Soli« kaum realisierbar sein. Allein die von der Koalition geplante neue Grundrente für Geringverdiener, die 35 Jahre Beiträge gezahlt haben, könnte mit weiteren vier bis sechs Milliarden Euro im Jahr zu Buche schlagen. »Neue Maßnahmen können entsprechend den Vorgaben des Koalitionsvertrages nur noch durch Neupriorisierungen innerhalb der Einzelpläne (...) in Angriff genommen werden«, heißt es in der 22-seitigen Präsentation von Gatzer, die er am Freitag den Kollegen der anderen Ministerien vorgestellt hatte. Alles kommt nun unter Finanzierungsvorbehalt - Scholz will als Finanzminister auch das Vorurteil widerlegen, Sozialdemokraten könnten nicht so gut mit Geld umgehen. Daher will er an der »schwarzen Null« unbedingt festhalten.
Besonders für Verteidigungsministerium Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sind es schlechte Nachrichten, da deren Ausgaben besonders betroffen sein könnten - und Deutschland das von US-Präsident Donald Trump geforderte Hochfahren der Verteidigungsausgaben nicht erfüllen könnte. Trump fordert von dem Nato-Partner mehr Geld, um die USA zu entlasten.