Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert von Bund und Ländern rechtzeitige Planungen für die Corona-Strategie im Herbst mit besonderem Augenmerk auf Kinder und Jugendliche. »Die Zeit drängt«, sagte der Chef der Bundesärztekammer der Deutschen Presse-Agentur.
»Spätestens die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 2. Juni muss die Weichen für einen sicheren Betrieb von Schulen und Kitas stellen.« Kinder hätten wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe Schutzmaßnahmen ertragen und einen großen Solidarbeitrag geleistet. »Wir sind verpflichtet, den Kindern jetzt etwas zurückzugeben.«
Kollateralschäden bedenken
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf Kinder und Jugendliche sind ein Schwerpunktthema des Deutschen Ärztetages, der an diesem Dienstag in Bremen beginnt. »Corona-Infektionen verlaufen bei jungen Menschen fast immer sehr milde«, erläuterte Reinhardt. Die Ärzteschaft habe aber früh auf Kollateralschäden der Corona-Eindämmungsmaßnahmen für Kinder wie soziale Isolation, Bewegungsmangel, Bildungsdefizite oder Gewalt zu Hause hingewiesen. Eine Vielzahl von Studien belege eine deutliche Zunahme psychischer Auffälligkeiten oder den Verlust von Lebensqualität bei jungen Menschen. »Hier stehen die Bildungs- und Entwicklungschancen einer ganzen Generation auf dem Spiel.«
Beim Ärztetag solle mit Expertinnen und Experten intensiv darüber diskutiert werden, wie negative psychosoziale Folgen der Pandemie für Heranwachsende eingedämmt werden könnten. Eine entscheidende Rolle hätten Schulen und Kindertagesstätten, sagte Reinhardt. »Wenn man den Versprechungen der Politik glaubt, soll alles getan werden, um erneute flächendeckende Schließungen zu verhindern.« Mit Spannung werde daher ein von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigter Pandemie-Masterplan für den Herbst erwartet. »Hier dürfen die Kinder nicht wieder vergessen werden.«
Impfquote nach oben bringen
Der Ärztepräsident betonte, eine möglichst hohe Impfquote sei für eine wirksame Corona-Strategie weiterhin essenziell. »Wir sollten jetzt nicht mehr Debatten von gestern führen und über das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht lamentieren.« Es müsse nun alles dafür getan werden, die Impfquote weiter zu steigern. Impfstoffe seien das wirksamste Instrument zum Schutz vor schweren Corona-Verläufen und für eine Rückkehr in die vorpandemische Normalität. Das müsse den Menschen noch verständlicher dargebracht werden.
»Die bisherigen Impfkampagnen waren halbherzig und uninspiriert. Da gibt es noch viel Luft nach oben«, sagte Reinhardt. »Ich wünsche mir eine mutige, multimediale Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, über die die Menschen in der U-Bahn oder am Abendbrottisch diskutieren.« Jede Impfung zähle, gerade mit Blick auf Herbst und Winter. In Betracht ziehen könnte man auch materielle Impfanreize, die für unterschiedliche Zielgruppen interessant seien. »Mit konventionellen Kampagnen kommen wir jedenfalls nicht weiter.«
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