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Ärzte ohne Grenzen plant Ausweitung der Hilfe für den Sudan

Eigentlich sollen die Waffen im Sudan ruhen. Doch es kommt immer wieder zu neuen Gefechten zwischen dem Militär und einer paramilitärischen Gruppe. Ärzte ohne Grenzen will mehr Hilfe schicken.

Konflikt im Sudan
Ein Mann geht an einem Haus in Khartum vorbei, das bei den jüngsten Kämpfen im Sudan getroffen wurde. Foto: Marwan Ali
Ein Mann geht an einem Haus in Khartum vorbei, das bei den jüngsten Kämpfen im Sudan getroffen wurde.
Foto: Marwan Ali

Angesichts der anhaltenden Gewalt im Sudan plant die Organisation Ärzte ohne Grenzen eine Ausweitung der Hilfe. Notfallteams stünden bereit, in das umkämpfte Land am Horn Afrikas zu reisen, teilte die Organisation mit. Man stehe in engem Kontakt mit Krankenhäusern sowie sudanesischen Gesundheitsbehörden.

Trotz einer Waffenruhe kam es auch in der Nacht in Teilen des Landes erneut zu Gefechten. Bei den Kämpfen, die vor knapp zwei Wochen begannen, kamen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 460 Menschen ums Leben, fast 4100 wurden verletzt. Die wahre Zahl der Opfer dürfte aber deutlich höher liegen.

Im Sudan kämpft de-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan mithilfe des Militärs gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo. Dieser ist Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden Generäle hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen.

In der Nacht zu Dienstag war eine von den Vereinigten Staaten verhandelte Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten, die jedoch noch sporadisch hielt. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Feuerpause immer wieder zu brechen.

Sorge vor Gewalteskalation in West-Darfur

Zusätzlich zum anhaltenden Konflikt drohen weitere gewalttätige Zusammenstöße in dem Krisenland. Im Bundesstaat West-Darfur sei ein ethnischer Konflikt entbrannt, teilte die sudanesische Armee mit. Berichten zufolge soll es zu Gewalt zwischen den afrikanischstämmigen Masalit sowie arabischstämmigen Gruppen gekommen sein. Bereits am Mittwoch hatte auch der UN-Sondergesandte im Sudan, Volker Perthes, vor Plünderungen, Übergriffen auf Zivilisten sowie Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen in West-Darfur gewarnt.

Der Bundesstaat West-Darfur liegt im äußersten Westen des Sudans an der Grenze zum Tschad. Seit Jahrzehnten gibt es in der gesamten Region Darfur immer wieder schwere ethnische Konflikte.

Bundeswehr gut vorbereitet

Die Bundeswehr war nach Angaben des Befehlshabers zur Absicherung ihres Evakuierungseinsatzes in den vergangenen Tagen auch mit Waffen zur Panzerabwehr ausgerüstet. Die Kräfte seien so aufgestellt gewesen, »dass wir jederzeit ein Gefecht hätten aufnehmen und uns verteidigen können und dabei durchhaltefähig gewesen wären«, sagte Generalmajor Dirk Faust am Mittwoch der »Bild«-Zeitung. »Wir hatten alle Fähigkeiten, die erforderlich sind, um uns gegen stärkere Feindkräfte vor Ort durchzusetzen - von der Handwaffe bis hin zur Panzerabwehrfähigkeit.«

Die Bundeswehr hatte mit ihren Evakuierungsflügen in den vergangenen Tagen mehr als 700 Menschen aus dem nordostafrikanischen Land gebracht, darunter 200 Deutsche. Faust schilderte in dem Interview: »Wir mussten nicht aus dem Flughafen raus, da die zu Evakuierenden dorthin kommen sollten. Wir wären dazu aber in der Lage gewesen.« Der Flughafen liege außerhalb der Stadt. »Daher haben wir von Gefechtshandlungen nichts mitbekommen«, sagte der Befehlshaber der Division Schnelle Kräfte, der den Rettungseinsatz führte. Mit Blick auf den Zustand der Evakuierten sagte der Generalmajor, die Menschen seien nach Tagen der Bedrohung »unglaublich angespannt und erschöpft« gewesen.

Am Mittwoch verließ die Bundeswehr den Sudan nach dem Rettungseinsatz wieder. Die letzten Soldaten des Evakuierungskontingents seien am Mittwoch um 22.40 Uhr in Jordanien gelandet, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos am Donnerstag.

Lage in Khartum spitzt sich zu

In der Hauptstadt Khartum wird die Lage der Menschen immer schlimmer. Am Mittwoch teilte die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf mit, dass ihre Einrichtung dort von Bewaffneten angegriffen worden sei. Die betreuten Kinder und Jugendlichen sowie die Mitarbeiter mussten demnach evakuiert werden.

Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) per Haftbefehl gesuchte Langzeitmachthaber des Sudans, Omar al-Baschir, der 2019 gemeinsam vom Militär und der RSF gestürzt wurde, soll sich nach Armeeangaben in einem Militärkrankenhaus in Khartum aufhalten und von der Polizei bewacht werden. Unabhängig ließ sich die Mitteilung nicht überprüfen.

Der 79-Jährige, der den Sudan 30 Jahre lang autoritär regiert hatte, saß nach einer Verurteilung eigentlich im Kobar-Gefängnis in der Hauptstadt ein. Laut Medienberichten hatte die Gefängnispolizei am Wochenende die Häftlinge freigelassen, da sie deren grundlegende Versorgung nicht sicherstellen konnte. Über Al-Baschirs Aufenthaltsort wurde tagelang gerätselt.

Der IStGH sucht Al-Baschir seit 2009 mit Haftbefehl wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Darfur-Konflikt. Seit Jahren kommt es in der Region im Westen des Landes zu Gewalt zwischen der Regierung und afrikanischstämmigen Minderheiten. Im Sudan wurde Al-Baschir wegen Korruption verurteilt, zudem läuft ein Verfahren wegen eines Putsches zu Beginn seiner Amtszeit 1989.

Gespräche zu weiterer Waffenruhe geplant

Der UN-Sondergesandte im Sudan, Volker Perthes, kündigte derweil Gespräche über eine Verlängerung der Waffenruhe um weitere 72 Stunden an. Der BBC sagte Perthes, die sudanesischen Streitkräfte hätten Verhandlungen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba zugestimmt. Eine Reaktion der rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) stünde zwar noch aus; Perthes zeigte sich jedoch bezüglich einer Teilnahme der RSF an den Verhandlungen zuversichtlich.

Am Donnerstagmorgen sei es lediglich zu sporadischen Schusswechseln gekommen, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur in Khartum. Am Vormittag soll es laut Medienberichten allerdings erneut Luftangriffe gegeben haben. Die Versorgungslage gilt weiterhin als angespannt.

© dpa-infocom, dpa:230427-99-464710/8