Die Deutsche Krebshilfe entstand 1974 in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Mildred Scheel, die Gründerin, war wenige Monate vorher mit ihrem Mann, dem damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, in die Villa am Rhein gezogen. Die neue First Lady wollte ihre Bekanntheit nutzen, um das schwierige Thema Krebs in die Öffentlichkeit zu bringen. Die promovierte Medizinerin hatte selbst auf Krebsstationen gearbeitet und wollte etwas bewegen. Wenige Monate nach der Wahl ihres Mannes zum Bundespräsidenten rief die unkonventionelle Frau die Deutsche Krebshilfe ins Leben.
Krebs sei damals kaum heilbar und die Versorgungssituation verheerend gewesen, blickt Gerd Nettekoven, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Krebshilfe, zurück. Die Kommunikation von Ärzten mit ihren Patienten über die Diagnose war oft ungeschickt oder brutal direkt, und es gab wenige Therapiemöglichkeiten. »Heute können wir die Hälfte der Patienten heilen. Damals war es nur ein Viertel«, sagt Nettekoven. Bundesweit werden pro Jahr etwa 500.000 Krebsneuerkrankungen gezählt. Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Tumorerkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland.
»Ich habe zu viele Menschen, die krebskrank waren, sterben sehen«
Mildred Scheel holte das angstbesetzte Thema in die Öffentlichkeit. »Ich habe zu viele Menschen, die krebskrank waren, sterben sehen und habe auch zu viele Menschen in meiner Praxis erlebt, die zu spät zum Arzt kamen«, sagte sie einmal in einem Interview. In ihrer herausgehobenen Funktion warb die Frau des Bundespräsidenten für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, setzte sich für Forschung und Hilfen für Erkrankte ein.
Anfangs gab es nur wenige Mitarbeiter. Heute sind über hundert Hauptamtliche beschäftigt. Die Organisation informiert unter anderem in rund 40 Ratgebern über einzelne Tumorarten, über Sozialleistungen, Hilfen für Angehörige, Ernährung und Palliativmedizin. Drei Millionen Exemplare dieser blauen Hefte werden jedes Jahr gedruckt. Sie liegen in Wartezimmern der Ärzte aus oder können bei der Organisation direkt bestellt werden.
Die Krebshilfe nimmt keine öffentlichen Gelder oder Spenden der Pharmaindustrie an, sondern finanziert sich aus Spenden und Nachlässen. 2023 wurden 157,7 Millionen Euro eingenommen. Damit förderte die Organisation 177 Initiativen und Projekte zur Verbesserung der Versorgung von Krebspatienten. Die Organisation ist der größte private Geldgeber für die Krebsforschung in Deutschland.
Unterstützung für Patienten und Angehörige
Als eine der wichtigsten Aufgaben sieht die Krebshilfe die Unterstützung von Patienten und Angehörigen an. Ein Härtefonds hilft, wenn Betroffene wegen ihrer Erkrankung in finanzielle Not geraten sind. Das war im vorigen Jahr bei 7.700 Menschen der Fall. Auch Krebs-Selbsthilfeorganisationen werden unterstützt. Beim »Infonetz Krebs« sitzen neun Mitarbeiter von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr am Telefon. Jedes Jahr wenden sich 11.000 Menschen an diesen Dienst.
Als Aufgaben für die Zukunft sieht Krebshilfe-Chef Nettekoven die Vernetzung kleiner mit größeren Krankenhäusern, um überall eine gleiche Versorgung der Patienten zu ermöglichen. Forschung soll weiter stark gefördert werden. Auch Prävention ist ein Anliegen: Wenn mehr Menschen an Brust- und Darmkrebs-Screenings teilnähmen, könnten viele Erkrankungen vermieden oder in einem sehr frühen Stadium behandelt werden.
Prävention »ein ganz hartes Brett«
Überhaupt, die Vorbeugung: »Es ist ein ganz hartes Brett, die Prävention in Deutschland breit zu verankern«, sagt Nettekoven. Er beklagt Tabakwerbung, E-Zigaretten und Raucherbereiche auf Bahnhöfen. Auf Schulhöfen oder im Außenbereich von Kindergärten fehlten oft Bäume oder ein anderer schattenspendender Schutz gegen pralle Sonne. Rund 40 Prozent aller Krebsneuerkrankungen wären durch eine optimale gesunde Lebensweise vermeidbar, sagen Experten.
Für ihre Krebshilfe hat die Gründerin viele Hebel in Bewegung gesetzt. Allzu bescheiden war sie dabei nicht. »Unter 100.000 kommen Sie mir nicht weg«, habe sie ihre Mutter sagen hören, berichtete die Tochter Cornelia Scheel. Und Nettekoven erinnert sich an Bemerkungen bei der Entgegennahme von Schecks: »Hätte ja auch ein bisschen mehr sein können«.
Tragischerweise starb Mildred Scheel elf Jahre nach Gründung ihrer Organisation selbst an Krebs. Trotz aller Aufklärungsarbeit hatte sie unbedingt verhindern wollen, dass die Erkrankung bekannt wurde. »Dann denken die Leute, dass man bei Krebs ohnehin nichts machen kann, und sie verlieren das Zutrauen in die Vorsorgeuntersuchung«, sagte sie zu einer Vertrauten.
Heute ist die berühmte Geigerin Anne-Sophie Mutter die Präsidentin der Krebshilfe. Auch sie hat schmerzhafte Erfahrungen mit der Krankheit Krebs gemacht. Ihr Ehemann erkrankte in den 1990er Jahren und starb daran. Sie hätten die Erkrankung damals verschwiegen, berichtete Mutter. Wegen der Privatsphäre, aber auch weil es damals noch ein Stigma gewesen sei.
Am 1. Oktober steht in der Berliner Philharmonie eine Benefizveranstaltung zu 50 Jahren Krebshilfe auf dem Programm. Auf der Bühne steht und spielt: Anne-Sophie Mutter.
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