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Kampf gegen Speckrollen: Auch Otter brauchen Sport

In Zoos gibt es für Tiere eine All-inclusive-Versorgung mit Vollpension. Damit sie sich trotzdem ausreichend bewegen und keine Gewichtsprobleme bekommen, müssen Pfleger und Tierärzte kreativ werden.

Otter
So sitzt es sich gemütlich - Otter brauchen allerdins viel Bewegung. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/DPA
So sitzt es sich gemütlich - Otter brauchen allerdins viel Bewegung.
Foto: Sebastian Christoph Gollnow/DPA

Die Suche nach Futter und Partnern fällt weg und auch vor Feinden muss sich niemand verstecken: In Zoos und Tierparks ist das Tierleben viel bequemer als in freier Wildbahn. Damit Affen, Otter & Co. trotzdem fit und schlank bleiben, setzen Einrichtungen nicht nur auf eine gesunde Ernährung, sondern auch auf Bewegungseinheiten. Im Berliner Tierpark müssen unter anderem die Zwergottern Susi und Strolch schon mal arbeiten, um an ihre Leckerbissen zu kommen.

Tierpflegerin Agnetha Weinbrenner wirft zwei Wasserbomben ins Becken, sofort schwimmen die beiden los. Sie drehen sich um die Kugeln, greifen nach ihnen, jonglieren damit und versuchen, die mit Fisch bestückten Leckerbissen an Land zu bringen. Strolch gelingt das schnell und während er schon seinen Stint verputzt, wartet Susi noch darauf, dass es vielleicht doch noch Futter gibt, das sich müheloser verspeisen lässt. Und das Warten lohnt sich, später gibt es doch noch ein paar Leckerli.

»Susi und Strolch sind sehr fitte, sehr aktive und agile Tiere. Aber wir müssen es realistisch betrachten: Wir haben eine All-inclusive-Versorgung mit Vollpension für unsere Tiere«, sagt Tierärztin Annette Klein. Und ähnlich wie Menschen könnten auch Tiere sehr aktiv sein oder eher zum Faulenzen neigen. Da sei es wichtig, sie zur Bewegung zu motivieren, denn auch Tiere könnten zu dick werden und Krankheiten wie etwa Diabetes bekommen.

Verschiedene Tiere, verschiedene Strategien

Nicht alle Tiere seien von Natur aus so aktiv wie die Otter. Große Wiederkäuer wie die Bisons seien zum Beispiel eher gemütlich unterwegs. »Da wird ein Schritt vor den anderen gesetzt und gemümmelt, was aber auch dem natürlichen Verhalten der Tiere entspricht«, erklärt die Ärztin. Hier würden die Tiere zur Bewegung animiert, indem man Futter- und Wasserstellen in der gesamten Anlage so verteile, dass im gesamten Revier Strecken zurückgelegt werden müssten. Bei den Raubtieren habe es sich bewährt, das Futter an höheren Stellen festzubinden. »Die Tiere können sich nicht einfach nur hinlegen und fressen, sondern müssen wirklich irgendwo hochklettern, um an das Futter zu kommen«, sagt die Tierärztin.

»Tierbewegung und Tierbeschäftigung sind ein zentrales Thema, wenn es um das Wohlbefinden und die Gesundheit von Wildtieren in menschlicher Obhut geht. Dabei geht es darum, dass Tiere ihre tierartspezifischen Verhaltensweisen ausleben können und so physisch und psychisch fit sind und bleiben«, erklärt Sven Hammer, Fachtierarzt für Zoo- und Wildtiere und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Zootierärzte (VZT). Dieses Thema werde in vielen zoologischen Einrichtungen als wichtig eingeschätzt und entsprechend umgesetzt.

»Behavioral Enrichment«

Fachleute sprechen von »Behavioral Enrichment« (deutsch: Verhaltensanreicherung), wenn es um Beschäftigungsprogramme geht. Hier sei eine rasante Entwicklung zu beobachten und die Ideen schier unüberschaubar, heißt es vom Verband der Zoologischen Gärten. Die Palette der Möglichkeiten reiche von teuren Spielgeräten bis hin zum Papiersack, der mit Leckereien oder Duftstoffen versehen sei. Auch Verhaltenstraining bis hin zu Dressur-Programmen mit Robben oder Elefanten seien Varianten. »Überall dort, wo Enrichment-Programme angewandt werden, ist eine Steigerung der Lebensqualität deutlich sichtbar«, so der Verband.

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit sei auch das medizinische Training, berichtet Annette Klein. Damit würden die Tiere auf Untersuchungen vorbereitet. »Ziel ist es, dass ich ein Tier freiwillig zur Mitarbeit bekomme«, so die Ärztin. Primaten präsentierten inzwischen beim Impfen freiwillig Arm oder Hintern und Tiger ließen sich freiwillig Blut abnehmen. Für die Tiere sei dieses Training eine Bereicherung, da sie auch vom Kopf her gefordert würden. »Für uns als Tierärzte ist es ein riesiger Zugewinn, wenn wir den Tieren zum Beispiel auch antrainieren können, zum Wiegen an einen bestimmten Ort zu gehen«, so die Ärztin.

Fastentage bei Raubtieren

Auch im Münchner Zoo Hellabrunn werde darauf geachtet, dass sich die Tiere ausreichend bewegen, berichtet Sprecherin Lisa Reininger. Dazu gehöre für einige Tiere ebenfalls das medizinische Training oder das Enrichment, wie beispielsweise Spielzeug mit Duft bei den Tigern oder auch mal eine Keule bei den Eisbären. »Es ist aber eigentlich so, dass sich die Tiere auf ihren Anlagen gut von selbst bewegen - wichtig dabei ist, dass bei Raubtieren auch Fastentage eingeplant sind, also, dass die Tiere eben nicht dauerhaft «vollgefressen» sind und dadurch bewegungsträge werden«, so die Sprecherin.

Auch schon die Vergesellschaftung, also das Zusammenleben mit anderen Arten, könne Tiere stimulieren, sofern sie soziale Wesen und keine Einzelgänger seien, erklärt Annette Klein. Auf der vor etwa sechs Wochen eröffneten Otterinsel leben auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern neben den Zwergottern auch Hirscheber und Schopfmakaken. Die Tiere seien neugierig aufeinander und seien allein schon deshalb regelmäßig im Revier unterwegs. Und schließlich seien auch abwechslungsreiche Reviere und Klettermöglichkeiten wichtig.

Bäume erklimmen dank Muskelmasse

Dank der Kletterbäume habe das Schopfmakakenmännchen Thore bereits ordentlich Muskelmasse zugelegt und sei nun in der Lage, drei Meter hohe Bäume zu erklimmen. Das habe der Neuzugang aus einem anderen Zoo vor wenigen Wochen nicht geschafft, berichtet Klein. Der 13-Jährige sei eher von der kräftigen Sorte. »Das Gewicht ist zwar nicht runter, aber es ist ein wenig umverteilt. Er hat Fett in Muskelmasse umgewandelt«, so Klein über den Affen. Sein Körper werde definierter.

Unerwartet aktiv sei auch ein Hirschebermännchen in dem Revier, berichtet Pflegerin Agnetha Weinbrenner. Mehrmals täglich balanciere es am steinigen Ufer des etwa 300 Quadratmeter großen Teichs entlang. Das erfordere viel Geschick und sei ebenfalls jeweils eine willkommene Bewegungseinheit, ergänzt Annette Klein.

© dpa-infocom, dpa:240509-99-970075/2